Ein Hörender werden
In der Bahnhofkirche gibt es den Raum der Stille, und es erstaunt mich immer wieder, wie wenig ich hier durch das laute Treiben des Hauptbahnhofs gestört werde. Es ist eine Insel für der leisen Töne in mir, und Menschen besuchen diesen Ort gerne. Neulich ist mir ein Text von Sören Kierkegaard begegnet, der auf bedenkenswerte Weise zum Ausdruck bringt, zu welcher Art des Betens mich dieser Raum einlädt. Der Text geht so:

«Als mein Gebet
immer andächtiger
und innerlicher wurde,
da hatte ich immer
weniger zu sagen.
Zuletzt wurde ich ganz still.
Ich wurde, was womöglich
noch ein grösserer Gegensatz
zum Reden ist,
ich wurde ein Hörender.
Ich meinte erst,
Beten sei Reden.
Ich lernte aber, dass Beten
nicht bloss Schweigen ist,
sondern Hören.
So ist es:
Beten heisst nicht,
sich selbst reden hören.
Beten heisst:
still werden und still sein
und warten, bis der Betende
Gott hört.»