A Suica existe

Vor vielen Jahren – wegen einer Abstimmung wurde gerade intensiv über die Ausländer:innenpolitik der Schweiz gestritten – habe ich im Tram folgende Begebenheit erlebt:
Ein paar junge Männer diskutierten angeregt auf Französisch. Ein älterer Herr fuhr sie an: «Chöit dir nid Dütsch rede? Mir sy da ir Schwiz.»
Einer der Jungen drehte sich um und sagte ruhig: «On est de Genève» (Wir sind aus Genf).
Die Leute waren Schweizer und hatten sich in ihrer Schweizer Muttersprache unterhalten…

Zeitsprung in die Gegenwart: Ich bin beim Coiffeur. Er ist aus Brasilien, lebt schon lange hier und sein Geschäft läuft gut. Heute Abend ist viel los. Vor mir wird ein junger Mann brasilianischer Herkunft bedient. Die Lernende hat Wurzeln in einem nordafrikanischen oder nahöstlichen Land, spricht aber fliessend Züridütsch. Früher hatte er einen Mitarbeiter, der aus Syrien in die Schweiz gekommen war. Jetzt hat er eine Kollegin angestellt, die aus Eritrea oder Äthiopien stammt. Sie bedient gerade eine Frau, die wohl aus demselben Land stammt. Jedenfalls reden die zwei lebhaft in derselben Sprache miteinander. Ich merke, dass ich wohl der Einzige mit deutscher Muttersprache und heller Haut bin. Aber ich kann mich problemlos mit meinem Coiffeur und anderen hier unterhalten. Die Stimmung im kleinen Lokal ist bestens: Ein buntes, fröhliches Durcheinander. Richtig lustig. Und ich finde, dass mein Coiffeur einfach tolle Integrationsarbeit für unsere Gesellschaft leistet. Da erhalten Menschen die Chance, eine Lehre zu machen oder Geld zu verdienen, die es auf dem Arbeitsmarkt sonst vermutlich nicht einfach hätten.

Nächste Woche feiern wir den Schweizer Nationalfeiertag. Und ich denke: Ja, so ist die Schweiz: Voller Menschen mit ganz unterschiedlichen Hintergründen, voller Leben und spannend. So, wie sie es schon immer war, mit ihrer Vielsprachigkeit – nur heute noch mehr als früher.

Foto: Coiffeursalon. Wallpaper Flare. Quelle: https://www.wallpaperflare.com/people-inside-populer-coiffeur-salon-human-person-shop-suitcase-wallpaper-ekiah