Abendmahl mit Schutzmaske

Der georgische Maler Otar Chkartishvili hat 1983 die Assemblage «Das Letzte Abendmahl» geschaffen. Chkartishvili galt zu Sowjetzeiten als regimekritischer Künstler. Ausstellungen, an denen er teilnahm, wurden zerstört. Ihm wurde mehrfach mit Gefängnis gedroht.

Sein Bild hat etwas Verstörendes: Jünger in Lumpenkleidern und durch Gasmasken entstellt. Jesus in ihrer Mitte mit einem Heiligenschein aus Regenschirmkielen. Keine Becher und Teller auf dem Tisch, sondern zusammengedrückte Blechdosen.

Der Künstler arbeitet mit Materialien aus der Welt des Kriegs, die 1983, zur Zeit der atomaren Hochrüstung, zur Lebenswirklichkeit vieler gehörten. Und in unheimlicher Weise spricht dieses 40 Jahre alte Werk auch in unsere Situation: Dass wir in Schutzmasken zusammensitzen, ist 2020 Realität geworden. Und dass wir uns vor Giftgas oder sonst wie verschmutzter Luft fürchten müssen, stimmt leider ebenso.

Das letzte Mahl wird unter solchen Bedingungen zu einem absurden Unterfangen: Wie sollte man mit diesen Masken essen und trinken? Aber die Dosen sind ja eh leer, und was wie ein grosser Brotlaib aussieht, ist wohl eher ein Stein. Zudem: Welcher Schutz ist von einem Messias zu erwarten, dessen Heiligenschein aus dem Gerippe eines Schirmes besteht? Und wir sehen nur elf Jünger. Judas ist schon gegangen, um Jesus zu verraten. Gezeigt wird hier eine Gemeinschaft kurz vor ihrem Auseinanderbrechen.

Pandemien, Katastrophen und Kriege stellen Gemeinschaften in Frage. Sie stellen auch den Glauben in Frage. Dass der zerbrechliche Mann in der Mitte zur Quelle widerständiger Lebenskraft und neuen Aufbruchs werden kann, sieht man ihm nicht an. Karfreitag und Ostersamstag müssen ausgehalten werden.

Abbildung: Otar Chkartishvili, Das Letzte Abendmahl, Assemblage, 1983, Georgian Museum of Fine Arts, Tbilisi. Foto: Privat.