Aber Zeichen!
Der österreichische Autor Arno Geiger hat 2011 den Roman «Der alte König in seinem Exil» veröffentlicht. Darin schildert er zahlreiche Begegnungen und Erfahrungen mit seinem an Demenz erkrankten Vater. Hier zitiere ich eine wunderbare Passage aus dem Buch:
«Und einmal, als ich ihn frage, wie es ihm gehe, antwortet er: ‘Es geschehen keine Wunder, aber Zeichen.’ Und dann ansatzlos Sätze, so unwahrscheinlich und schwebend, wie sie einem manchmal in Träumen kommen: ‘Das Leben ist ohne Probleme auch nicht leichter.’»
(Arno Geiger, Der alte König in seinem Exil, München, 2011, S. 11)
Es ist schon faszinierend, über welch poetische und klare Wahrheit Menschen mit Demenz manchmal verfügen! Würde uns das Leben leichter fallen, ohne Probleme? Oder würde uns gerade die Problemlosigkeit zum Problem? Und ja, Wunder bleiben in der Regel aus. Aber Zeichen, die gibt’s. Zeichen, die zur Wunderlosigkeit dieser Welt einen Widerhaken bilden und darauf hinweisen, dass es trotzdem anders sein könnte: fairer, menschlicher, gerechter.
Im Januar vor 20 Jahren wurde der Euro eingeführt. Diese Währung hat keine Wunder bewirkt. Eher im Gegenteil: Die Euro-Krise 2010 wurde zu einer der grössten Herausforderungen Europas seit Ende des Krieges. Dennoch glaube ich, dass diese Währung ein ungemein wichtiges Zeichen ist. 19 Staaten, die sich teilweise über Jahrhunderte bekämpft haben, haben es freiwillig und friedlich zustande gebracht, sich über den Euro aneinander zu binden, sich ein Stück weit voneinander abhängig zu machen. Ein Friedenszeichen! Das geht nicht ohne Probleme. Aber eben: Wäre das Leben ohne die wirklich leichter?
Foto: Gerd Altmann (geralt), Pixabay. https://pixabay.com/de/photos/hand-alt-alter-skuril-%C3%A4ltere-frau-141669/