Abreissen oder stehen lassen?
Menschen neigen dazu, Sachverhalte zu vereinfachen, um damit umgehen zu können. Im Hinblick auf politische und religiöse Einstellungen hält sich hartnäckig die Einteilung in konservativ versus progressiv: Den einen sind überlieferte Formen lieb und teuer, während die anderen alte Zöpfe möglichst schnell abschneiden wollen. Gilbert Keith Chesterton, englischer Schriftsteller und Journalisten im Übergang vom 19. zum 20. Jahrhundert formulierte dazu eine Überlegung, oft «Chestertons Zaun» genannt:
«Wenn es darum geht, Dinge zu reformieren anstatt sie zu deformieren, gibt es ein klares und einfaches Prinzip; ein Prinzip, das man wahrscheinlich als Paradox bezeichnen wird. Stellen Sie sich dafür eine bestimmte Einrichtung oder ein Gesetz vor, sagen wir der Einfachheit halber einen Zaun oder ein Tor, das über eine Strasse errichtet wurde. Der modernere Reformer geht unbekümmert darauf zu und sagt: ‹Ich sehe keinen Nutzen darin, lass es uns wegräumen.› Der intelligentere Reformer tut gut daran, darauf zu antworten: ‹Wenn du keinen Nutzen darin siehst, dann lasse ich es dich gewiss nicht wegräumen. Geh fort und denke nach. Wenn du zurückkommst und mir mitteilst, dass du den Nutzen davon verstehst, erlaube ich dir vielleicht, es zu demontieren.›» (aus seinem Buch «The Thing» von 1929)
Wie viel Schaden blindwütiges Regieren «mit der Kettensäge» anrichtet, können wir beim Blick über den Atlantik mitverfolgen. Unreflektiertes Festhalten an dem, was vermeintlich «immer schon» so war, wird die Probleme genauso wenig lösen. Der Gemeinde von Thessaloniki legte der Apostel Paulus ans Herz: «Prüft alles und behaltet das Gute!» (1 Thess 5,21) Das gilt gleichermassen für Neuerungen wie für das Althergebrachte. Sorgfältiges Untersuchen, Verstehen und Würdigen gehören an den Anfang jeder Entscheidung. Erst danach folgt entschlossenes Handeln – im Vertrauen auf den Beistand des göttlichen Geistes.