Ändere dich-nicht!

„Du musst dein Leben ändern“! Wie ein religiöses Gebot beschließt dieser Satz Rilkes berühmtes Sonett „Archaischer Torso Apollos“. Der Appell geht selbstredend davon aus, dass es uns möglich ist, das Leben zu ändern, eine andere, ein anderer zu werden, so wir es denn nur inständig genug und mit aller Kraft so wollen. Wolle die Wandlung! – und sie wird geschehen. Doch, stimmen solche Sätze auch, und in jedem Fall?

Vergangene Woche erzählte mir eine Frau, dass es genau solche Sprüche waren, an denen sie manchmal schier verzweifelt sei. In ihren Worten: „Jahrelang war ich neurotisch, ängstlich, launisch und selbstsüchtig. Die mich umgaben, mahnten mich an, ich müsste mich halt ändern. Also gab ich mir alle Mühe, mich zu ändern. Doch ohne Erfolg. Was mich am meisten schmerzte war die Tatsache, dass selbst meine beste Freundin mir immer wieder vorhielt, wie verquer und neurotisch ich sei und dass es an mir liege, mich zu ändern. Auch wenn es in mir schrie und bebte, ich wagte keinen Widerspruch. Ich wollte sie ja nicht verlieren. Innerlich aber fühlte ich mich zunehmend ohnmächtig, einsam und gefangen.

Eines Tages nun kam meine Freundin wie verwandelt auf mich zu und sagte: „Du, ich bin bei Rilke auf einen Satz gestoßen, der mich umgehauen hat: Wir haben, wo wir lieben, nichts als dies, den andern lassen. Dieser eine Satz hat mich selbst und meine Sicht auf dich verwandelt. Nein, du brauchst dich nicht zu ändern. Sei, wie du bist, lass dich, wie du bist. Ganz so will auch ich dich nehmen, lieben und bejahen.    
Diese Worte klangen wie Musik in meinen Ohren. Körper und Seele entspannten sich. Ich wurde wieder lebendig – und, welch Wunder, ich änderte mich tatsächlich. Nun weiß ich, dass ich mich so lange nicht ändern konnte, bis jemand kam, der mich nahm, ließ und liebte, wie ich war.

Bildquelle: Wikipedia, Zitat am Theater Freiburg, Gerd Eichmann