Altruismus
Als ich gestern Morgen zur Arbeit radelte – es war noch dunkel -, habe ich beinahe einen E-Scooter übersehen, der quer auf dem Veloweg abgestellt war. Ich konnte im letzten Moment auf die Strasse ausweichen, um eine Kollision zu vermeiden. Immer wieder sieht man sie im Stadtbild, die E-Scooter, die nach ihrer Benutzung achtlos auf Bürgersteigen, in Grünanlagen oder sogar im Flussbett «abgestellt» werden. Sie sind so etwas wie der Gegenstand gewordene Egoismus unserer Zeit. Es ist kinderleicht, sie zu mieten – ein paar Klicks genügen – und ebenso einfach, sie wieder loszuwerden, nämlich genau da, wo man gerade stehenbleibt. Manchmal eben mitten im Weg.
Der E-Scooter im Veloweg veranlasst mich dazu, in diesem Weg-Wort ein Plädoyer für etwas mehr Altruismus im Alltag zu halten. Im Begriff Altruismus steckt das lateinische Wort alter, was übersetzt der andere bedeutet. Anders als beim Egoismus (ego = ich) steht hier nicht das eigene Ich im Mittelpunkt, sondern der andere Mensch. Altruismus ist geprägt von Rücksichtname auf andere, von Uneigennützigkeit und Selbstlosigkeit. Und davon brauchen wir in unserer Welt, in unserem Alltag, im Zwischenmenschlichen mehr. Sogar Tiere (wie z.B. Fledermäuse, die sich ihre Beute teilen) und Pflanzen (z.B. die Ackerschmalwand, die so wächst, dass sie möglichst wenig Schatten auf ihre Nachbarpflanze wirft) bekommen das hin. Grund genug, es Flora und Fauna nachzutun. Geben wir unserem Gerechtigkeitssinn, unserer Zuneigung anderen Menschen gegenüber, dem Mitgefühl mit Notleidenden, unseren moralischen Überzeugungen oder auch unserem Glauben, der Nächstenliebe von uns verlangt, mehr Gewicht. Rücksichtsvoll zu sein ist gar nicht so schwierig. Übrigens: streng genommen ist noch nicht einmal Altruismus gänzlich frei von Egoismus, denn wer anderen etwas Gutes tut, wird mit «the warm glow» belohnt, dem warmen, wohligen Gefühl im Bauch. Dieses schöne Gefühl wünsche ich Ihnen am heutigen Tag.