Amen

Ein vertrautes Wort. Ein fremdes Wort. Wir kennen es und wissen doch nicht so genau, was es bedeutet.

Es kommt aus der hebräischen Sprache und leitet sich vom Tätigkeitswort „Aman“ ab. Das bedeutet „fest sein/zuverlässig sein“, aber auch „sich verankern“. Und wenn man im Hebräischen vom Glauben oder von Zuversicht spricht, dann benutzt man das Wort «Emuna», das sich ebenfalls von «Aman» herleitet.

Wenn ich also am Ende eines Gebets «Amen» sage, drücke ich meine Zuversicht aus, mich in dem zu verankern, was ich gebetet habe. Letztlich, mich in Gott zu verankern.

Aber was, wenn meine Lebenserfahrung dagegenspricht? Was, wenn Gott in Frage gestellt wird, durch das Leben?

Im neunten Kapitel des Markusevangeliums findet sich eine Erzählung von einem Knaben, der von einem Geist besessen ist. Der Bub wird zu Boden gerissen, schäumt aus dem Mund und hat Erstarrungszustände. Sein Vater bittet Jesus und die Jünger, ihn zu heilen.

„Alles ist möglich dem, der glaubt“, gibt Jesus zur Antwort. Oder eben: „Alles ist möglich dem, der fest in Gott verankert ist.“

Das klingt einigermassen zynisch, und der Vater versteht es wohl auch so. Denn er schreit Jesus an: „Ich glaube. Hilf meinem Unglauben!“

Er sagt damit: «Ich sehne mich nach solcher Gewissheit, aber so fest bin ich halt nicht verankert. Jetzt lass mich nicht im Stich und hilf meinem Sohn!“

Ein Gebet mit «Amen» abzuschliessen, meint von daher auch: Ich möchte mich in Gott verankern, aber ich kann das nicht aus mir allein heraus. Ich bin darauf angewiesen, dass Gott mir das schenkt: Vertrauen, Zuversicht, Heilung.

Abb: Les Très Riches Heures du Duc de Berry, Die Heilung des besessenen Knaben, 1412 -16, Musée Condé, Chantilly, Frankreich.