Anliegenbuch
Vor wenigen Tagen war das Anliegenbuch der Kapelle bis auf die letzte Seite beschrieben. Innerhalb weniger Wochen hatten unzählige Menschen ihre Gebete und Gedanken, Wünsche und Hoffnungen, ihre Dankbarkeit und ihren Schmerz zu Papier gebracht und damit ein ganzes Buch gefüllt.
Für viele Menschen ist es ein Bedürfnis, das, was sie beweg, zu verschriftlichen. Es tut gut, seine Gedanken aufzuschreiben. Es kann helfen, die Gefühle, die Menschen in sich tragen, zu ordnen und zum Ausdruck zu bringen. Manches kann auf diesem Weg sogar verarbeitet werden.
Ich finde es berührend, dass Menschen in unserem Raum der Stille Vergangenes, Gegenwärtiges und Zukünftiges in Gottes Hände legen und andere Besucherinnen und Besucher und uns als Team der Bahnhofkirche an ihren Gedanken teilhaben lassen. Schliesslich kann jeder im Anliegenbuch blättern und darin lesen.
Ich habe ein neues, leeres Anliegenbuch in die Kapelle gelegt und das vollgeschriebene in unser Archiv gestellt. Dort sind die Bücher der vergangenen Wochen, Monate und Jahre aneinandergereiht aufbewahrt. Bei diesen Anblick überkommt mich der Gedanke, dass all die vielen niedergeschriebenen Gebete, all die Wut, die Dankbarkeit, die flehenden Bitten, nicht nur in unserem Schrank, sondern vor allem bei Gott aufbewahrt sind. Und ich muss unweigerlich an den Vers aus dem Jesajabuch denken: «(…)Ich vergesse dich nicht. Sieh her: Ich habe dich eingezeichnet in meine Hände (…).» (Jes 49, 15-16)