Antonius und Bernadette

Vor einem Familienurlaub bin ich durch unsere Wohnung geflitzt und habe gesucht: Schublade auf, durchwühlt, Schublade wieder zu, die nächste Schublade, Mappen geöffnet, die Reisetasche, die ich im letzten Winter mithatte, den Koffer, der sonst immer mitkommt, ein Stapel mit Papieren. Alles habe ich hektisch durchforstet. Ich habe gemerkt, dass ich mich selbst verrückt mache, die Kinder mit, aber ich war nahe am Verzweifeln. Ich bin zwischen offenen Reisetaschen und den drei Kindern hin und her gelaufen und konnte es nicht fassen: wichtige Dokumente, die wir am nächsten Tag unbedingt gebraucht haben, um unsere Urlaubsreise antreten zu können waren unauffindbar. Ich höre mich heute noch sagen: «Helft mir doch mal suchen?», «Schatz, hast Du sie irgendwo hin?», «Das gibt es doch gar nicht!». «Das gibt es doch gar nicht» hat sich darauf bezogen, dass ich ordentlich bin. Und weil mir der Urlaub ungeheuer wichtig ist, liegen eigentlich alle wichtigen Dinge dafür an ihrem festen Platz. Eigentlich.

In meinem Hinterkopf hat sich während des Suchens eine Stimme gemeldet, die gesagt hat: «Du könntest es doch machen, wie Deine Freundin Bernadette.» Sie hat mir immer wieder einmal erzählt, dass sie den Heiligen Antonius anruft, wenn sie etwas sucht und dass das – nein, dass er – immer geholfen hat. Immer. Ihr und auch anderen. Ich habe das nicht für unmöglich gehalten und auch nie belächelt; es hat schlicht nicht meinem Handeln entsprochen, einen Heiligen anzurufen. Vielleicht habe ich es auch nicht für möglich gehalten, dass sich ein Heiliger auch um mich kümmert.

Als es auf den Abend zuging habe ich der Stimme im Hinterkopf nachgegeben. «Heiliger Antonius, bitte! Wir sind uns bisher nicht bekannt. Nur meine Freundin Bernadette, die kennst Du. Du bist mir von ihr empfohlen worden. Bitte, ich brauche diese Unterlagen!». Nun habe ich mein eigenes Heiligenwunder. Es vergingen nur Sekunden, und ich habe einen Handgriff an einen Ort gemacht, an dem niemand, der bei Verstand ist, wichtige Unterlagen verstaut. Ich weiss nicht, warum ich sie jemals dort abgelegt hatte. Ich bin sicher, dass ich sie nicht ohne Hilfe gefunden hätte. Es gab nicht das berühmte Unterbewusstsein, das sie mich hat finden lassen. Es gibt diesen Heiligen, der sich um die kleinen menschlichen Unzulänglichkeiten kümmert. Nachsichtig, verständnisvoll. Ganz im Geiste dessen, für den er arbeitet.