Auf Disteln hören
Seit Kurzem hat Zürich ein neues Polizei- und Justizzentrum. Es handelt sich um einen mächtigen Bau, der gleichermassen von Kantonspolizei, Staatsanwaltschaft und vom Justizvollzug genutzt wird. Vor dem Eingang stehen zwei mehrere Meter hohe Metallabgüsse der Weg-Distel: Glänzend, mit stachligen Blättern und fast schon zerzaust wirkenden Blüten.
Diese Skulpturen sind von der Zürcher Künstlerin Ursula Palla geschaffen worden und tragen den Titel: „Listen to the Flowers“ (Hört auf die Blumen). Bewusst hat sie sich für die Weg-Distel entschieden, denn diese Pflanze ist fähig, unter unwirtlichen Bedingungen zu überleben und sogar durch Asphalt zu spriessen. Sie gilt als Unkraut. Damit hat Palla ein Zeichen gesetzt: Polizei, Justiz und Gefängnis haben es mit den unkontrollierten, dunklen Seiten der Gesellschaft und des Lebens zu tun. Mit den Aspekten, die wehtun und an denen man lieber vorbeischaut. Aber das Wilde und Stachlige gehört zu uns. Wir müssen einen lebensfördernden Umgang damit finden.
Das eindrücklichste Zeichen jedoch ist das Material der Skulpturen. Im Kanton Zürich werden jährlich drei Tonnen Waffen von Privatpersonen der Kantonspolizei abgegeben. Ein Teil des Stahls, aus dem die Weg-Disteln produziert wurden, stammt von diesen Waffen. Damit wird das Kunstwerk auch zum Friedenssymbol: Menschen entwaffnen sich freiwillig und bringen damit zum Ausdruck, dass der Staat mit seinen demokratisch legitimierten Mitteln dem Frieden Sorge tragen soll!
Die grosse biblische Verheissung für eine zukünftige Zeit klingt hier an. Eine Zeit, in der die Völker „ihre Schwerter zu Pflugscharen schmieden und ihre Speere zu Winzermessern.“
Abb: Ursula Palla, Listen to the Flowers, 2022, Polizei- und Justizzentrum Zürich. Foto: Privat