Aufbrechen

Vor 35 Jahren – ich stand mitten im Theologiestudium – erhielt ich die Gelegenheit, an einer Wallfahrt nach Santiago di Compostela teilzunehmen. In einer Gruppe von ungefähr 40 Studentinnen und Studenten verschiedener Fachrichtungen waren wir mit einem Bus bis Saint-Jean-Pied-de-Port unterwegs. Zu Fuss überquerten wir dann die Pyrenäen und nahmen in Spanien den Camino Francés bis wir den berühmten Wallfahrtsort erreichten.

Einige Stempel aus meinem Pilgerpass von 1989

Inzwischen hat das Pilgern weiter an Popularität gewonnen. Der deutsche Entertainer Hape Kerkeling hat ihm 2006 sein Buch «Ich bin dann mal weg» gewidmet, das über vier Millionen Mal verkauft wurde. Was fasziniert die Menschen und lockt sie, sich auf einen so beschwerlichen Weg einzulassen? In früheren Zeiten galt das Pilgern als Möglichkeit, ein Verbrechen oder eine Schuld zu büssen und als geläuterter Mensch neu anzufangen. Heutzutage nutzen es viele als Mittel zur Entscheidungs- oder Selbstfindung, zum Perspektivenwechsel oder zur Befreiung von ungeliebten Gewohnheiten.

In Santiago di Compostela wird Jakobus der Ältere geehrt. Ob der Apostel je in Spanien war und seine Gebeine in Santiago ruhen, bleibt ungewiss. Jakobus gehörte zu den allerersten Jüngern Jesu, zu seinem innersten Kreis, und die Kirche feiert ihn am heutigen Tag. Er war eine Autorität in der frühen Christengemeinschaft und für Paulus gehört er zu deren «Säulen». Zuerst hatte Jakobus lernen müssen, dass Nachfolge nicht mit dem Streben nach Ehrenplätzen zusammenpasst, und dass er trotz seines Rufs als «Donnersohn» gegenüber der Gefangennahme und dem Leiden seines Meisters machtlos blieb. Er verschrieb sich ganz der Weitergabe der guten Botschaft Jesu und liess Vertrautes seines angestammten Glaubens hinter sich. So ist er Vorbild für pilgernde Menschen und für die pilgernde Kirche insgesamt.