Ausgang und Eingang
Im antiken Rom und in gewissen Gebieten des Imperiums war die Gottheit Janus äusserst bekannt und beliebt. Er galt als Gott des Anfangs und des Endes, der Eingänge und Ausgänge, der Türen und Tore. Zunehmend bekam er die Züge eines Vaters aller Dinge und aller Götter. Dargestellt wurde er mit einem Doppelgesicht, sowohl vorwärts als auch rückwärts blickend. Von ihm hat der erste Monat im Jahr seinen Namen.
Eisenplastiken in Form von Janusköpfen schuf der Künstler Schang Hutter im Jahr 1994 für einen Totentanz auf dem Friedhof Bümplitz. Besonders bewegt mich die Darstellung, in der ein solcher Januskopf in einer leeren Urnennische steht, die den Durchblick freigibt auf die andere Seite. Es kommt mir vor, als blicke das eine Gesicht zurück in das alte Leben, während das andere sozusagen durch den Tod hindurchschaut auf das, was danach kommt. Es strahlt etwas Hoffnungsvolles aus: Sterben, Tod und Verlust nicht als Katastrophen, vor denen wir uns fürchten müssten, vielmehr als Durchgang zu einer neuen Realität.
Das Jahr, auf das wir zurückschauen, wird gewiss nicht zu den rühmlichsten und glücklichsten zählen. Es brachte für alle Einschränkungen und Verluste. Ob wir im kommenden Jahr wieder mehr Aufbauendes zu sehen bekommen? Die römische Gottheit des Anfangs und des Endes erinnert mich jedenfalls daran, was die frühen Gläubigen von Christus sagten: Er sei das Alpha und das Omega, und er begleite uns bei allen Übergängen. Sie fühlten sich in aller Ungewissheit «von guten Mächten wunderbar geborgen». Vielleicht ist der Jahreswechsel gar keine Zeit, um grosse Vorsätze zu fassen und sich noch mehr anzustrengen. Vielleicht lädt er uns ein, neue Zuversicht zu fassen, und aus diesem Vertrauen heraus das zu tun, was uns wichtig ist.