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Licht und Wärme
Der 11. November ist mit verschiedenen Bräuchen und Traditionen verbunden. Die Einen feiern an diesem Tag den Beginn der Fasnacht, und der Startschuss genau um 11.11 Uhr deutet darauf hin, dass für die Wahl des Datums die Schnapszahl ausschlaggebend war. In China wird heute der Tag der Singles begangen, da die vielen Einsen auf Alleinsein hindeuten. Es ist auch der Tag der Räbeliechtli-Umzüge, an dem Kinder aus runden Herbstrüben Laternen schnitzen und sie nach dem Eindunkeln in langen Prozessionen durch die Strassen tragen. Manchmal ist an diesen Martinsumzügen auch ein Pferd und Reiter mit von der Partie. Die Lichterumzüge erinnern an einen der populärsten Heiligen der christlichen Geschichte: Martin von…
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Zurück zur Natur
Wer zurzeit von der Seebrücke in Luzern in Richtung Hofkirche am See entlang spaziert, stösst auf eine grosse Baustelle. Die Stämme der Kastanienbäume sind mit Schalbrettern geschützt, der Asphalt wurde grossteils schon entfernt und Kompaktbagger stehen bereit, um den herantransportierten Mergel als neuen Belag gleichmässig zu verteilen. Der Schweizerhofquai soll entsiegelt werden, wie es an anderen Seeuferabschnitten bereits geschehen ist. Es ist eine gute Nachricht für die Bäume, die mit ihrem Blätterdach den am Quai flanierenden Menschen Schutz und Schatten bieten. Ohne den Asphalt können sie sich besser entfalten und der Regen findet leichter Zugang zu ihren Wurzeln. Asphaltierte Wege sind praktisch und eine der vielen Massnahmen zur Optimierung der…
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Jö!
Abbildungen von niedlichen und flauschigen Jungtieren stehen in den sozialen Medien besonders hoch im Kurs. Verspielte Kätzchen, treuherzig in die Welt blickende Welpen, lebenslustig herumspringende Geisslein oder Lämmlein, staksige Fohlen und dergleichen finden sich in unzähligen Varianten auf Instagram, Tiktok und all den anderen Plattformen. Solche Bilder strahlen Unschuld und Schutzbedürftigkeit aus – und sie machen etwas mit uns. Mich bringen sie jeweils zum Schmunzeln, ein warmes Gefühl entwickelt sich in meiner Brust, das Herz öffnet sich und manchmal erweckt der Anblick so etwas wie einen Beschützerinstinkt. Im schweizerischen Sprachgebrauch hat sich für diese Reaktionen eine treffende Bezeichnung eingebürgert: der Jö-Effekt. Es sind angenehme und erwünschte Gefühle, die solche Tierfotos…
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Genug für alle
Folgende kleine Geschichte hat mich nachdenklich gemacht: «An einem kalten Wintertag, weit ab von jeder Zivilisation, blieb einmal ein Zug mitten auf freier Strecke stehen. Die Maschine war defekt und die Heizung ausgefallen. In den Abteilen begannen die Menschen zu frieren. Eingehüllt in ihre Mäntel sassen sie da, sorgenvoll, schweigsam und in sich versunken. Einige Kinder begannen zu klagen und zu weinen. Da öffnete eine ältere Frau ihre Tasche, holte belegte Brote heraus und reichte sie an die zitternden Mädchen und Buben weiter. Plötzlich kam Bewegung in das Abteil: Ein junger Mann nahm seine Thermoskanne hervor und schenkte Tee aus. Eine Mutter gab ihre Decke einer fremden Frau, die ohne…
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An Gottes Tisch
Wie ein Senfkorn, das zum Baum heranwächst und Vögeln Schutz bietet, oder wie ein Stückchen Sauerteig, das eine grosse Menge Teig aufgehen lässt, so beschreibt Jesus das Reich Gottes. Er betont, dass es mitten unter den Menschen beginnt und nicht einer religiösen Elite oder besonders frommen Menschen vorbehalten ist. In der Schriftstelle, die in der Liturgie von heute vorgelesen wird, sagt Jesus: «Und sie werden von Osten und Westen und von Norden und Süden kommen und im Reich Gottes zu Tisch sitzen. Und siehe, da sind Letzte, die werden Erste sein, und da sind Erste, die werden Letzte sein.» (Lukas 13,29f) Die einladende Offenheit Jesu hat sich leider nicht dauerhaft…