• Im Grunde sind wir alle eins

    Eine der bekanntesten jüdischen Überlebenden des Holocaust, Margot Friedländer, ist am 9. Mai kurz nach ihrem letzten Auftritt bei der Gedenkveranstaltung zur Befreiung von Ausschwitz vor 80 Jahren im hohen Alter von 103 Jahren verstorben. Bis in die letzten Lebenstage hinein hat sie als Zeitzeugin ihre Stimme erhoben gegen das Vergessen und zugleich für eine Menschlichkeit plädiert, die selbst den Peinigern zu vergeben vermag. Was für ein Mensch! Eine Parallelgeschichte solch menschlicher Grösse findet sich auch im Buch «Bei Nacht und Nebel» des Buchenwald-Überlebenden ungarisch-jüdischen Intellektuellen Eugene Heimer. Anbei sein Zeugnis. «Es war in Buchenwald, dass ich von Juden, Christen, Muslimen und Heiden, von Briten, Serben, Rumänen, Polen und Italienern…

  • Krummes Holz – Aufrechter Gang

    Im Anschluss an das Weg-Wort von vorgestern (14.05.), das sich mit Blick auf die Feierlichkeiten rund um das Ende des 2. Weltkrieges leicht verzweifelt mit der gegenwärtigen, von Kriegen und Zerstörung, von Hass-, Schmäh- und Lügenrede, von verbaler und brachialer Gewalt beherrschten Weltlage befasste, mute ich Ihnen heute noch einmal starken Tubak zu. Denn es ist jetzt nicht die Zeit wegzuschauen, den Kopf in den Sand zu stecken, Hässliches schönzureden, Unerträgliches zu relativieren oder die Geschehnisse mit billigen esoterischen oder spirituellen Klimmzügen als gott- oder schicksalsgewollt zu erklären. Deshalb noch einmal ein Blick auf die letzten Tage der NS-Barbarei. Um Beweismaterial für die Gräueltaten des Hitlerregimes und seiner willfährigen Schlächter…

  • Das faschistische Trampeltier

    Wer immer in den vergangenen Tagen den Fernseher eingeschaltet hat, dem wird die Menge an Beiträgen aufgefallen sein, die sich mit den Feierlichkeiten und Gedenkanlässen rund um das Ende des 2. Weltkrieges vor 80 Jahren befassen. Teils mit absurden Kontrasten. Hier die gedemütigten Verlierer, dort die stolzen Sieger, dazwischen die Leichenberge auf beiden Seiten. Während Putins Russland den Sieg über Hitlerdeutschland mit einer gigantischen militärischen Machtdemonstration feiert und dabei die Welt in Furcht und Zittern versetzt, üben sich die Deutschen in Schuldbekenntnissen, Erinnerungs- und Aufarbeitungskultur. Filmdokumente aus den Vernichtungslagern, welche die Amerikaner nach deren Befreiung gedreht haben, sollten nicht nur der deutschen Bevölkerung damals, sondern uns allen und für alle…

  • Weisheit des Narren

    In der an der Seidenstrasse gelegenen usbekischen Stadt Buchara, sie gilt nicht nur als eine der schönsten, sondern mit ihren 300 Moscheen auch als die heiligste aller Städte Zentralasiens, steht mitten im Stadtpark die Statue des allseits hochverehrten, auf einem Esel reitenden weisen Narren Hodschra Nasreddin. Von der Türkei bis an die Grenzen Chinas ranken sich unzählige Geschichten rund um diesen Till Eulenspiegel des Orients. Unter anderen auch die folgende: In einem kleinen Dorf lebte einst der närrische Weise Hodschra Nasreddin. Eines Tages beschloss er, seinen Nachbarn eine Lektion in Herzensgüte zu erteilen. Nasreddin besass einen Esel, den er über alles liebte. Eines Morgens bemerkte er, dass dieser nicht mehr…

  • Gott will uns heiter sehen

    Noch heute gehört der vor 20 Jahren verstorbene Politkabarettist Hanns Dieter Hüsch für mich zu den ganz Grossen seiner Zunft. Er beeindruckte mich nicht allein als wortmächtiger Sprachkünstler, feinsinniger Poet und scharfzüngiger Satiriker, sondern ebenso sehr als politisch mutiger und engagierter Wort- und Tatchrist. Für ihn war die Botschaft der Bibel der Pfahl im Fleische eines blutleer gewordenen seichten und verflachten Christentums. Neben den «Psalmen für Alletage», in denen er an die alttestamentarische Psalmentradition anknüpft, sie paraphrasiert, pointiert weitermeditiert und in unser modernes Leben implementiert, findet sich unter anderen auch ein hübsches, mit Bildern von Joan Miro illustriertes Bändchen «Das kleine Buch zwischen Himmel und Erde». Darin spricht eines der…