Bete für mich!

Ich bin in einem protestantischem Umfeld aufgewachsen. Meine religiöse Erziehung war von antikatholischer Polemik geprägt. Die Heiligen spielten in meiner Glaubenswelt keine Rolle. Lange hielt ich deren Verehrung für Vielgötterei und die legendenhaften Geschichten über ihr wundersames Wirken für unnötig. Ja, ich war sogar stolz auf meine Überzeugung, dass ich im Kontakt zu Gott keine Vermittler brauche, sondern selbst im Gebet über alles direkt mit ihm sprechen kann.

Bei den Seelsorgegesprächen in der Bahnhofkirche fragen mich Menschen immer wieder, ob ich für sie beten könne. Es gibt verschiedene Gründe, weshalb jemand nicht selbst oder allein zu Gott beten kann oder will:
«Mir geht es ja sonst so gut. Mein Problem ist nichts im Vergleich zu dem, was andere zu tragen haben. Ich schäme mich, damit zu Gott zu gelangen.»
«Ich möchte beten, aber ich habe es nie gelernt. Bin ich nicht religiös genug? Ich weiss gar nicht, wie ich beten soll.»
«Ich habe so viel durchgemacht. Irgendwie glaube ich schon noch, aber beten kann ich nicht mehr. Ich bin jedoch froh, wenn Sie für mich beten.»

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Ich bete gerne für andere. Es bringt mich selbst näher zu Gott. Natürlich soll das Beten einen nicht davon abhalten selbst zu helfen, wo es möglich ist. Aber es kann schnell zu einer Überforderung werden, wenn man sich auf die eigenen Kräfte verlässt. In der Fürbitte sammle ich meine Gedanken, ich verzettle mich nicht, ich bringe die Anliegen einer Person auf deren Wunsch vor Gott.
Der Umstand, dass ich für andere bitte, hat mir einen neuen Zugang zu den Heiligen ermöglicht. Ich selbst bitte die Heiligen nicht um Fürsprache, aber ich kann durch meine Erfahrungen meine katholischen Glaubensgeschwister besser verstehen, die diejenigen um Hilfe bitten, die sie ganz nah bei Gott sehen.