Beziehungsqualität
Erinnern Sie sich an «Chestertons Zaun» im Weg-Wort vom Mittwoch? Der englische Schriftsteller meinte damit, dass die Abschaffung oder Veränderung einer bestehenden Einrichtung bzw. Tradition keine gute Idee ist, solange ihr Sinn und Zweck nicht ganz verstanden wurde. Auf Überliefertes und Neuerungen gleichermassen anwendbar ist der Hinweis des Apostels Paulus: «Prüft alles und behaltet das Gute!» Das wirft die Frage auf, was denn das Gute eigentlich ist.
Im Alltag kann «gut» vieles bedeuten, etwa zweckmässig, wirksam wie ein gutes Werkzeug, ein gutes Medikament, oder angenehm, erfreulich wie ein guter Wein, ein guter Ausflug, talentiert oder herausragend wie ein guter Handwerker, ein guter Musiker oder erstrebenswert wie eine gute Ausbildung.
«Prüft alles und behaltet das Gute!» Paulus schreibt dies gegen Ende seines ersten Briefes an die junge christliche Gemeinde im antiken Thessaloniki. Der Apostel sendet ihnen dort weitere bedenkenswerte Aufforderungen wie «Haltet Frieden untereinander!», «Ermutigt die Ängstlichen, nehmt euch der Schwachen an, seid geduldig mit allen!», «Betet ohne Unterlass!», «Freut euch zu jeder Zeit!» oder «Löscht den Geist nicht aus!»
Das Gute erscheint in diesem Zusammenhang als eine Qualität der Beziehung der Menschen zueinander und zu Gott: Ist das Miteinander geprägt von respektvollem und unterstützendem Umgang gerade mit unterprivilegierten Personen? Hat die Freude in den Institutionen – auch den religiösen – genauso Platz wie die Pflicht? Messen wir die alten Traditionen ebenso wie die Reformen daran, wie sehr sie einstehen für die Würde des Einzelnen, für die Freude an Gott und aneinander sowie für einen gerechten Frieden nach innen und aussen. Und gestalten wir unsere Familien, Gemeinwesen und Kirchen nach diesem Massstab.