Blut und Fleisch
Haben Sie schon mal geopfert? Ein richtiges Opfer meine ich. Also: Haben Sie schon mal ein Tier geschlachtet und es auf einem Altar dargebracht und dabei zu Gott gebetet? Sofern Sie in Westeuropa und christlich aufgewachsen sind, werden Sie mit ziemlicher Sicherheit mit «Nein» antworten.
Zur Zeit des alten Israels war es völlig normal, Tiere zu opfern. Und in manchen Kulturen werden auch heute noch Tier- oder Speiseopfer dargebracht.
Die Opfer, wie sie uns im Ersten Testament überliefert werden, sind deftig: Da wird Blut versprengt oder am Altar verstrichen. Da gibt es Anweisungen, wie den Tauben, die geopfert werden, der Kopf abzukneifen ist (Leviticus 6, 7+8).
Hinter dieser handfesten und aus unserer Sicht vielleicht auch brutalen Praxis, die uns fremd und überholt scheinen mag, stehen zentrale religiöse Anliegen. So waren Opfer unter anderem Rituale, die die Gemeinschaft fördern sollten. Das Essen des Opferfleisches festigte den Zusammenhalt innerhalb Israels und mit Gott. Und wer kennt das Gefühl von Zusammengehörigkeit und Nähe nicht, das bei einem gemeinsamen Essen entstehen kann?
Und schon sind wir beim Abendmahl oder der Kommunion, den heutigen Gemeinschaftsritualen der Kirchen: Das Teilen von Brot und – je nach Konfession – auch Wein. Und in diesem Teilen wird die heilsame Gemeinschaft mit Gott gefeiert. Das sind die stark symbolisierten Formen solch archaischer Opfer- und Essriten.
Wir Menschen sind halt doch körperlich. Fleisch, Blut, Essen, Trinken – das gehört zu uns. Deshalb braucht der Glaube sicht-, hör-, riech- und essbare Ausdrucksformen.
Abb: Mithras tötet den Stier, römisches Marmorrelief, 2. Jh, Kunsthistorisches Museum Wien. Foto: Gryffindor. Wikimedia Commons