Bohrkopf
Vor dem Verkehrshaus in Luzern steht ein über neun Meter hohes kreisrundes Gebilde, das den Anschein erweckt, als wäre es einem Science-Fiction Film entsprungen. Es handelt sich um die «Spitze» einer der vier Tunnelbohrmaschinen, die beim Bau des NEAT-Basistunnels zum Einsatz kamen. Dieser Bohrkopf ist alles andere als spitz; er besitzt eine Fläche von fast 70 Quadratmetern, und mittels 66 Rollenmeisseln, die an den Fels gepresst wurden, hat er das Gestein abgelöst. Mit dem aufgestellten Bohrkopf wurde eine Teilstrecke von 11,1 km durch das Gotthartmassiv realisiert.
Der Tunnelbau ist eine faszinierende Angelegenheit. In früheren Zeiten ging der Mensch hauptsächlich unter Tage, um Bodenschätze zu finden und an die Oberfläche zu befördern. Mit Mit der Zunahme des Verkehrs auf Schiene und Strasse kam das Bedürfnis, die Wege schneller, bequemer und sicherer zu machen. Der Bohrkopf steht für den erstaunlichen Erfindungsreichtum, durch den es gelang, buchstäblich «mit dem Kopf durch die Wand» zu gehen. Inzwischen verbinden unzählige Tunnel Orte, die vorher gar nicht oder nur mühsam erreicht werden konnten.
Auch im übertragenen Sinn können zwischen Menschen Wände und Berge stehen, die jeden Kontakt blockieren. Vielleicht wegen eines alten, nie gelösten Streits, einer nicht vergebenen Schuld, irgendeines Vorurteils oder aus anderen Gründen. Wieder zum Anderen durchzudringen und Hindernisse abzutragen braucht Bereitschaft und Geduld. «Wenn du deine Opfergabe zum Altar bringst und dir dabei einfällt, dass dein Bruder etwas gegen dich hat, so lass deine Gabe dort vor dem Altar liegen; geh und versöhne dich zuerst mit deinem Bruder, dann komm und opfere deine Gabe!» So lesen wir in der Bergpredigt. Sie gibt der Aufmerksamkeit auf zwischenmenschliche Blockaden und ihrer Auflösung höhere Priorität als der religiösen Praxis. Menschen, die im Kleinen wie im Grossen den Weg für Versöhnung freimachen, sind genauso staunenswert wie dieser Bohrkopf.