Da staunt der Laie…

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«Da staunt der Laie und der Fachmann wundert sich.» Die alte Dame mit ihren strahlend blauen Augen lachte, als sie mir dabei zusah, wie ich ihre trockenen Füsse eincremte. Während meines Theologiestudiums arbeitete ich als Hilfskraft auf der Demenzstation eines Altenwohnheims. Die Pflege und Begleitung alter Menschen machte mir viel Freude. Das lag vor allem an Momenten wie diesen, wenn Menschen, die von einer schweren Demenz betroffen waren, etwas von dem Humor durchblicken liessen, mit dem sie früher durchs Leben gegangen sind.

Eine dementielle Erkrankung ist für Betroffene und Angehörige ein schweres Schicksal. Überforderung, Angst, Trauer, Hilflosigkeit und Wut werden zu treuen, wenngleich unliebsamen Wegbegleitern. Eine Angehörige sagte einmal voller Verzweiflung zu mir: «Diese Krankheit ist wie Sterben auf Raten.» Und doch, finde ich, ist mitten in der Katastrophe «Demenz» unfassbar viel Leben. Auch wenn persönliche Erinnerungen auslöschen, Fähigkeiten verlorengehen, Charakterzüge verblassen und die eigene Identität durchgerüttelt wird, die Gefühlswelt bleibt lebendig und gewinnt manchmal sogar hinzu. Gefühle, auch die positiven wie Liebe, Freude, Zuneigung, Dankbarkeit, werden nicht dement.

Ich werde mich noch lange an die alte Dame und ihren Humor erinnern, auch wenn sie schon lange verstorben ist. Sie hat mir damals vor vielen Jahren diesen tiefen Einblick in den Kern des Lebens ermöglicht. Und sie hat mir einen genialen Satz geschenkt, mit dem ich auch heute, viele Jahre später, so manche Begebenheit meines Lebens schmunzelnd kommentiere. «Da staunt der Laie und der Fachmann wundert sich.» Und währenddessen muss ich lächeln.