Das alte Wassergefäss

Solltest du einmal wegen deiner Unzulänglichkeiten niedergeschlagen sein, dann mag dich die folgende kurz Geschichte über ein sprechendes Wassergefäss vielleicht ein wenig aufheitern:

In Bhutan lebte einst ein alter Mann in der kargen Wildnis. Er war dort ganz auf sich gestellt, aber genauso gefiel es ihm. Für seinen Wasserbedarf nahm er täglich den beschwerlichen Weg hinunter ins Dorf auf sich, um dort aus dem Brunnen zu schöpfen. Zu diesem Zweck hatte er zwei Gefässe, die an einem Tragholz festgebunden waren. Das eine Gefäss war gut erhalten, das andere allerdings sah ganz zerbeult aus und hatte von der Abnutzung sogar eine kleine undichte Stelle.

Bild von Michael Oberbillig auf Pixabay

Wenn der alte Mann vom Wasserholen heimkam, fand er das neuere Gefäss randvoll, im alten Krug aber war stets nur noch die Hälfte. Insgeheim war der heile Krug stolz, seinem Herrn so gut zu dienen. Das zerbeulte Gefäss allerdings schämte sich, fühlte sich nutzlos und war deswegen ganz betrübt.

So ging es jahrein, jahraus, bis das alte Gefäss es nicht mehr aushielt, sich an seinen Besitzer wandte und sprach: «Herr, ich schäme mich so sehr, dass ich dir nicht besser nützen kann. Ständig verliere ich die Hälfte des Wassers, das du doch für dein Leben brauchst.» Der Mann sah das Gefäss an, lächelte und sagte: «Mein liebes Gefäss, du dienst mir schon lange und ich habe Freude an dir. Hast du gemerkt, dass an deiner Seite des Wegs viele Blumen wachsen? Ich habe sie dort gesät, und du hast ihnen täglich Wasser gegeben. Nun erfreuen sie mich unterwegs und auch hier in meinem Haus.»

Die innere kritische Stimme hat viel an mir auszusetzen. Doch womöglich hat Gott mit dem, was ich als Schwäche anschaue, etwas Besonderes vor!