Das Unsichtbare im Sichtbaren

Ein Mystiker wurde einmal gefragt: „Wenn es Gott gibt, warum ist er dann unsichtbar?“ Der Mystiker erwiderte: „Gott ist kein Ding, sondern eine Erfahrung. Ihn zu sehen, ist ausgeschlossen. Du kannst ihn aber sehr wohl erfahren.“

Die Antwort befriedigte den Fragenden nicht. Da griff der Mystiker nach einem Stock und stiess damit gegen dessen Bein, so dass es zu bluten begann. Entsetzt rief der Mann: „Was hast du da getan? Du hast mich verletzt. Die Wunde schmerzt. Was soll das?“ Der Mystiker begann zu lachen und meinte: „Dein Schmerz ist doch auch unsichtbar, aber er existiert. Die Liebe ist ebenfalls unsichtbar, doch sie existiert. Und nicht anders verhält es sich mit Gott. Man sieht ihn nicht, doch ist er da!

Und so ist es in und mit allem. Nicht nur das Sichtbare existiert, auch das Unsichtbare. Zugegeben, das Unsichtbare ist schwerer zu ergründen. Denn um es zu erfahren, müssen wir auf den Grund unseres Seins hinabtauchen. Dort öffnen sich uns die Augen, es zu sehen, zu berühren, zu erfahren. Dort erst werden wir empfänglich für die Erscheinungen des Unsichtbaren, für die Offenbarungen des Göttlichen. Einmal erfahren, einmal gefunden, gibt es nichts mehr zu finden. Wir verstehen ein für alle Male, dass alles Unsichtbare im Sichtbaren, und alles Sichtbare im Unsichtbaren subtil und geheimnisvoll verborgen liegt.

Abb: Wikimedia Commons