Den Tempel reinigen
Jesu Passionsgeschichte beginnt mit der sog. Tempelreinigung. In heiligem Zorn wirft der Meister die Tische der Geldwechsler im Jerusalemer Tempel um und peitscht die Käufer und Verkäufer von Opfertieren aus dem Heiligtum. Dieser gewalttätige Akt war wohl getragen von dem elementaren Gefühl, dass Gott und Geld, Gott und Geschäft im Umfeld des Tempelkultes nichts zu suchen haben. Der Tempel soll nicht zur Markthalle verkommen.
Gedankensprung: Haben Sie den Frühlingsputz bereits gemacht, Wohnung, Keller und Estrich entrümpelt, vor ihrer Haustür gekehrt, den Stall ausgemistet und die Fenster glasklar gereinigt, so dass die Frühlingssonne die Räume wieder ungebrochen fluten kann? Leerfegen und säubern tut der Seele gemeinhin gut, erleichtert, erfrischt, verjüngt. Die Fastenzeit, in der wir kirchenkalendarisch stehen, lädt uns förmlich dazu ein, uns solch einem Feng-Shui, einer Reinigung, Leerung und Neuordnung zu unterziehen. Doch sie meint diesen Putz nicht äußerlich.
Wir sind eingeladen, die kommenden Wochen zum Anlass zu nehmen, unseren eigenen Tempel, sprich unser eigenes Inneres von allen möglichen Dingen, die uns besetzt und belagert halten, zu säubern. Sie zielt auf das Leerfegen unserer Seele von all jenen Kräften und Mächten, die Besitz genommen haben von unserem Herzen, von Anhaftungen, Abhängigkeiten und Besessenheiten aller Art, die uns daran hindern, mit dem Göttlichen in uns in Kontakt zu treten – oder andersrum, die Gott daran hindert, in uns Wohnung zu nehmen, in uns zu wachen und zu reifen.
Als Meister Eckhart im 13. Jahrhundert über dieses Evangelium predigte, meinte er: „Der Tempel von Jerusalem, den Jesus reinigte, das ist unser Herz. Dort gibt es das alles, die Angst und die Antwort darauf, die Machtsucht, die Geldgier, die Abhängigkeit. Es gibt darin aber auch die Sehnsucht nach Freiheit, den Mut zu leben, das Glück der Menschlichkeit und die Kraft der Liebe.“
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