Der Blick dahinter
In fast allen Notfallapotheken befindet sich eine Rettungsdecke. Sie misst 2,1 Meter mal 1,6 Meter und besteht aus einer hauchdünnen Polyesterfolie, welche auf einer Seite mit Aluminium bedampft wurde. Auf dieser Seite erscheint die Decke silbrig. Der Kunststoff selbst ist gelbbräunlich transparent, deshalb sieht die andere Seite golden aus. Um einen Menschen vor Auskühlung zu schützen, wendet man die silbrige Seite, welche die Wärme besser reflektiert, nach innen. Gegen Überhitzung kehrt man diese Seite nach aussen.
Der Künstler Hans Thomann verwendet als ein Vertreter der «Arte Povera», die mit einfachsten Mitteln arbeitet, solch eine Rettungsdecke in seinem Werk «… hinter den Wolken …». Dieses kann im Raum der Stille der Bahnhofkirche bis 29. Oktober erlebt werden. Von einem leichten Luftzug bewegt und von Licht beschienen zaubert es tanzende Lichter in den Raum.
Bei einem Blick hinter die Folie war ich erstaunt, was für ein goldener Raum sich dort eröffnet. Die Folie ist dünn und die Metallschicht noch viel dünner, so dass das darauf projizierte Licht ein wenig durch die Folie dringt und feine goldene Muster an die Wand hinter der Rettungsdecke malt. Blickt man von hinten durch die Folie, lassen sich Teile des Raumes erahnen.
Durch diesen Blickwinkel erscheint das Kunstwerk wie das Sinnbild für eine Lebenshaltung. Von aussen gesehen mag etwas kalt und blendend erscheinen, unnahbar oder unbarmherzig sogar. Der Blick dahinter offenbart eine andere Seite, etwas Warmes und zugleich Erhabenes und Kostbares. Das Werk lädt mich ein, mich nicht mit der Aussensicht zufrieden zu geben, sondern immer wieder dahinter zu schauen, bei mir, bei den Mitmenschen, in der Gemeinschaft. Wir brauchen den Blick, der das Gold dahinter entdeckt.