Der Gott der Täter

Täter! In diesen Tagen wird nur allzu deutlich, wofür dieses Wort steht: Der Autokrat Putin vernichtet die Leben Tausender. Wehrlose Menschen werden gefoltert, vergewaltigt, willkürlich erschossen. Aber auch dafür steht das Wort: Die Grenzen gutgläubiger Kinder wurden von Vertrauenspersonen in Soutanen massiv verletzt, sie wurden für ihr ganzes Leben geschädigt. Taten müssen ans Licht gebracht, Täter müssen benannt und zur Verantwortung gezogen werden.

So wahr das ist, so notwendig es ist – der Karfreitag, den wir heute feiern, mutet uns noch etwas anderes zu. Jesus wurde als Verbrecher zum Tode verurteilt und in der Mitte zweier Täter gekreuzigt. In den Berichten der Evangelien wird nicht angezweifelt, dass diese beiden Männer rechtmässig verurteilt worden sind. Dargestellt werden uns die beiden aber als Opfer einer brutalen Hinrichtung, und Jesus leidet und stirbt mit ihnen. Es ist anzunehmen, dass er nicht anders gestöhnt und geschrien haben wird als seine Mitleidenden. Er ist einer von uns – und einer von ihnen. In ihm wird Gott auch ein Gott der Täter.

Eine Zumutung! Karfreitag nötigt mich, im Täter auch den Menschen zu sehen, der einmal unschuldiges Kind war, der erst zum Täter wurde – und der immer auch Opfer ist. Nicht selten, weil er als Kind Gewalt und Missbrauch erlebt hat.

Selbst wenn es manchmal fast unmöglich scheint: Ich möchte nicht verlernen, im Gesicht der Täter das Gesicht des als Mittäter gestorbenen Gottessohnes zu ahnen.

Abbildung: Lucas Cranach der Ältere, Kreuzigung Christi, um 1500, Kunsthistorisches Museum Wien. Wikimedia Commons