Der Influencer Gottes

Unter dem trendigen Titel «Gottes freundlicher Influencer» hat Olivia Röllin den am 14. Januar 80 Jahre alt gewordenen deutschen Benediktinermönch Anselm Grün zu einer «Sternstunde Religion» eingeladen. Und die Begegnung wurde auch zu einer Sternstunde.

Wie ist es zu erklären, dass dieser so bescheidene Mann im Mönchsgewand mitten in einer Epoche, in der der Einfluss und die Autorität der Kirchen unter einem massiven Schwund leidet, derart großen Zuspruch erfährt? Während die Publikationen aus den Stuben der akademischen Theologie in den Regalen verstauben, zieht Anselm Grün in seinen über 400, in mehr als 30 Sprachen übersetzten Büchern eine Millionenleserschaft an. Wo immer er auftritt, sind die Vortragssäle und Kursräume voll. Was macht ihn derart populär und beliebt?

Nun, schon ein Blick in seine leuchtenden, gütigen Augen, die Wärme, Milde und Stille seiner Ausstrahlung, seine schlichte, liebenswürdige aber niemals banale Art zu sprechen – sie allesamt sind untrügliche Zeugen einer lebenszugewandten, menschenfreundlichen, gottverbundenen Person.

Der Erfolg seines Wirkens liegt neben seiner Glaubwürdigkeit insbesondere darin, dass ihm ein Feingespür für jene Fragen, Sorgen und Probleme eignet, die den heutigen Menschen besonders umtreiben. Als breit gebildeter und weiter Geist, der Brücken zu schlagen weiß zwischen Theologie und Psychologie, Seelsorge und Psychotherapie, Spiritualität und Lebensphilosophie vermag er auch religionskritische und kirchenferne Menschen zu inspirieren und zu überzeugen. Ein weiterer Faktor seiner Anziehungskraft ist sein Sinn für die Realitäten des Lebens. Für ihn gehört nicht nur der Verzicht, sondern auch der Genuss zu einem schönen und guten Leben. So bleibt seine Spiritualität natürlich und geerdet.

Auf seinen Grabstein wünscht er sich dereinst die Inschrift: «Er hatte ein weites Herz.» Ja, das ist es, was ihn auszeichnet und was uns anzieht.

Bildquelle: wikipedia