Der Kapitän meiner Seele
Vorgestern – am 27. April – war es 30 Jahre her, dass in Südafrika zum ersten Mal ein Schwarzer Mensch zum Präsidenten gewählt wurde. Nelson Mandela hatte zuvor 27 Jahre wegen seines Kampfes gegen die weisse Unterdrückung im Gefängnis verbracht. Jetzt, im Alter von 75 Jahren, oblag es ihm, den Übergang des Apartheidstaates zur freien Demokratie zu vollziehen. Die Ängste vor Bürgerkrieg, wirtschaftlichem Niedergang oder Vertreibung der Weissen Menschen waren gross.
Mandela ist ein beeindruckendes Beispiel dafür, wie ein Mensch trotz widrigster Lebensbedingungen seine Selbstachtung nicht verliert und sich nicht brechen lässt. Im Gegenteil! In seiner Autobiografie schrieb er: „Ein Mensch, der einem anderen die Freiheit raubt, ist ein Gefangener des Hasses. […] Als ich das Gefängnis verliess, war es meine Aufgabe, beide, den Unterdrücker und den Unterdrückten zu befreien.“ Mandela schaffte es, in den fünf Jahren seiner Regierung den Wandel zur friedlichen Vielvölkerdemokratie weitgehend gewaltfrei zu gestalten. Wer die Geschichte der Befreiung des afrikanischen Kontinents vom Kolonialismus kennt, weiss, wie oft dies nicht gelang.
Es heisst, dass Mandela während seiner Gefangenschaft oft ein Gedicht des englischen Schriftstellers William Ernest Henley zitierte, das ihm Zuversicht gab. Die letzten Zeilen lauten:
«Ich bin der Meister meines Schicksals, ich bin der Kapitän meiner Seele.»
Mandela liess sich nicht zum Opfer machen, nicht des Regimes, nicht zum Opfer von Verzweiflung, Verbitterung oder Hass. Er blieb Meister und Kapitän seines Lebens.
Als er Präsident wurde, war er bereit, zu vergeben und Versöhnung vorzuleben.
1999 trat er freiwillig von seinem Amt zurück – auch dies im Gegensatz zu vielen anderen. Er starb 2013 im Alter von 95 Jahren.
Abb: Mandela bei der Wahl 1994. Foto: Paul Weinberg, April 1994. Quelle: Wikimedia Commons