Der tanzende Grossvater
Meine Generation kennt Trudi Gerster, die Märchenerzählerin, oder Jörg Schneider als Kasperli. Wir hatten als Kinder Platten und Kassetten mit Märchen und Kasperlitheater. Wir wurden nicht müde, sie immer wieder zu hören, auch als wir längst selber Märchen lesen konnten.
War es der Inhalt, der uns in seinen Bann gezogen hat, oder hat uns die lebendige Sprache begeistert? Sicher fieberten wir mit Kasperli, hatten mit ihm Angst und freuten uns über seine Erfolge. Wir lebten richtig mit und in der Geschichte. Dass wir mitleben konnten, dafür brauchte es auch Erzähltalente, die selbst mitlebten beim Erzählen.
Martin Buber schreibt das in einer Geschichte so:
«Man bat einen Rabbi, dessen Grossvater ein Schüler des Baalschem gewesen war, eine Geschichte zu erzählen. ‘Eine Geschichte?’ sagte er, ‘soll man so erzählen, dass sie selber Hilfe sei.’ Und er erzählte: ‘Mein Grossvater war lahm. Einmal bat man ihn, eine Geschichte von seinem Lehrer zu erzählen. Da erzählte er, wie der heilige Baalschem beim Beten zu hüpfen und zu tanzen pflegte. Mein Grossvater erzählte, und seine Erzählung riss ihn so hin, dass er hüpfend und tanzend zeigen musste, wie der Meister es gemacht hatte. Von der Stunde an war er geheilt. So soll man Geschichten erzählen.’»
Wenn es schon beim Erzählen so wichtig ist echt und überzeugend zu sein, wie viel mehr ist es notwendig, dass unser Leben überzeugend, echt und lebendig ist?