Der Tod und das Foto
Wahrscheinlich haben Sie das auch schon erlebt: Ein lieber, nahestehender Mensch ist gestorben und Sie stellen ein Foto von ihm/ihr auf. Vielleicht platzieren Sie eine Kerze davor, die Sie jeden Tag anzünden. Und jeden Tag betrachten Sie das Foto viele Male. Es tut weh, macht unendlich traurig, und doch tröstet es, wenigstens das Gesicht anschauen zu können. Das verbindet mit ihr/ihm.
Mit der Zeit, über die Monate und Jahre, verändert sich der Blick auf das Foto. Es steht da, aber Sie schauen nicht mehr so lange darauf und empfinden nicht mehr gleich, wenn Sie es ansehen. Es tut nicht mehr so weh. Und irgendwie wird das Bild auch seltsam fremd. Es ist, als ob es aus einer fernen Zeit in Ihr jetziges Leben hineinblickt.
Der geliebte Mensch wird ein Stück weit fremd, denn er hat ja immer denselben Gesichtsausdruck, steht oder sitzt immer gleich da.
Eigentlich ist er erstarrt. Das Bild erinnert an einen lebendigen Moment, aber es ist nicht lebendig. Es steht für den Menschen, der nicht mehr da ist. Es ersetzt ihn nicht. Im Gegenteil zeigt es Ihnen, dass er eben nicht mehr da ist.
Damit kann das Foto helfen, den Verlust zu verarbeiten. Das Leben geht weiter, man macht neue Erfahrungen, man verändert sich. Der Mensch auf dem Foto bleibt immer gleich.
Er wird zur lieben, wertvollen Erinnerung. Er nimmt seinen Platz in unserem Inneren, in unserer Lebensgeschichte ein.
Das Foto ist Zeuge davon: Damals war es so, damals haben wir dies oder das zusammen gemacht. Jetzt ist es anders.
Abb: FRU BAKKEN 80 ÅR, BLOMSTERBORD. Norwegen. Foto: Håkon Prestkværn. Quelle: Digital Museum ( https://digitaltmuseum.org/)