Die Alternative

«Belohnung oder Bestrafung» ist eine Formel, die in vielen Bereichen unserer Gesellschaft angewendet wurde und wird: in der Gesetzgebung, in der Erziehung, bei Bonus-Malus-Systemen von Versicherungen und mehr. Wir haben uns sehr daran gewöhnt, und halten eine Alternative oftmals für unmöglich.

Auch in religiösen Vorstellungen finden sich Lohn und Strafe. Dort können sie sogar ewig und endgültig sein. Himmel und Paradies sollen zum Glauben und Einhalten der Gebote locken, ansonsten drohen Hölle und Verdammnis. Dagegen lässt sich Widerspruch ausmachen, insbesondere wenn Gott ins Spiel kommt. Von der islamischen Mystikerin Rabia aus dem achten Jahrhundert erzählt die folgende Geschichte:

Bild von Pramod Tiwari auf Pixabay

In den Strassen von Basra sah man Rabia mit einem Eimer Wasser in der einen und einer brennenden Fackel in der anderen Hand umherlaufen. Auf die Bedeutung angesprochen antwortete Rabia: «Ich will Wasser in die Hölle giessen und Feuer ans Paradies legen. Diese beiden Schleier sollen verschwinden, damit niemand mehr Gott aus Furcht vor der Hölle anbete oder in Hoffnung auf das Paradies, sondern allein wegen seiner ewigen Schönheit.»

Gott und seine Schönheit zu erkennen, ist das Ende der Furcht. Ein äusserer Antrieb ist dann nicht mehr nötig, um Gott mit ganzem Herzen, mit ganzer Seele und mit ganzem Denken zu lieben und den Nächsten wie sich selbst. (vgl. Mt 22,37ff). Wer in den Geschöpfen und in jeder Menschenseele die göttliche Schönheit durchscheinen sieht, wird Lohn und Strafe nicht mehr benötigen. Die Alternative heisst Liebe. Eine Liebe, die mich fordert und erfüllt, die mich kreativ macht und neue Wege gehen lässt. Von ihr schreibt der heilige Augustinus treffend: «Liebe und tue, was du willst.»