Die andere Nachbarschaft
Rudbeckien, Montbretien – im Frühling, als mir meine Gartennachbarin Lotti frisch ausgestochene Pflanzenableger auf einem Spaten gebracht hat, waren es nur Namen, die ich mir kaum merken konnte, jetzt blüht es in meinem Garten gelborange und orangerot.
In anderen Gärten haben die Leute Erdbeeren geerntet, die aus den Ablegern meiner Erdbeerpflanzen gewachsen sind.
Am Sonntag, als ich am Nachmittag schwitzend dabei war Kartoffeln auszugraben, kam Eddie vorbei und hat mit angepackt. Zwischendurch hat er mir eine große Raupe gezeigt, die ruhig auf einem Blatt saß. Es ist immer Eddie, der das Schöne im Garten sieht und uns zeigt – den roten Mond, der zur blauen Stunde auf einer Baumspitze sitzt, einen Stein mit einer schönen Maserung, eine ungewöhnliche Wurzel. Seine Schätze stellt er auf einem Gartentisch aus. Außerdem hilft Eddie allen.
Während wir graben, kommt Irfan vorbei, der aus Albanien stammt, der aber nur Italienisch spricht. Sein weißes Hemd ist weit auf, die Brille ist auf die Nase gerutscht. Er wedelt mit der einen Hand, zeigt auf einen Korb mit Tomaten, bleibt bei mir stehen und wiederholt mehrmals «uno pomodoro, molti pomodori», bis ich es nachsage. Er hat sich in den Kopf gesetzt mir Italienisch beizubringen. Als ich es richtig mache lacht er, und ich bekomme eine der frischen Tomaten.
Im Garten langt man einfach zu: Heidelbeeren frisch vom Strauch abgestreift, im Frühsommer die Erdbeeren – nur ein Teil schafft es bis heim.
Jetzt die Trauben, die Zucchini in Fülle. Wer mag noch welche? Ich habe auch genug. Wer keinen Garten hat, bekommt einige geschenkt.
Der syrische Nachbar schwenkt im Vorbeigehen täglich sein großes Bündel mit Zwiebeln und lacht laut. In unserem Schrebergartenareal gärtnern Menschen aus Polen, Nepal, Ungarn, Tschechien, Kroatien, Italien, Deutschland, der Ukraine, Syrien, Japan, China, Brasilien und der Schweiz.
Abends, zur blauen Stunde, als es still wird, rolle ich meinen Schlauch auf und setze mich hin. Meine Montbretien und Rudbeckien leuchten. 200 qm Garten. Ein Stück vom Paradies.