Die, die sie sind

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Am Hauptbahnhof in Zürich kann man immer wieder Menschen sehen – junge Erwachsene oder ganze Familien –, die auf der Flucht sind. Manche haben viele Gepäckstücke dabei, andere fast keine. Oft stehen die Menschen bei der Bahnhofhilfe an, um etwas zu Essen zu erhalten. Manche von ihnen kommen auch zu uns in die Bahnhofkirche, weil sie andere Hilfe benötigen.

Vor rund 80 Jahren beschäftigte sich der Dichter Bertolt Brecht mit Fluchtgeschichten, angetrieben von eigenen Erfahrungen. Als er 1956 starb, wurden in seinem Nachlass die «Flüchtlingsgespräche» entdeckt, die er in den Vierzigerjahren des letzten Jahrhunderts manuskriptartig niedergeschrieben hatte. Er lässt darin zwei Menschen, die an einem Bahnhof gestrandet sind, zu Wort kommen:

«Der Pass ist der edelste Teil von einem Menschen. Er kommt auch nicht auf so einfache Weise zustand wie ein Mensch. Ein Mensch kann überall zustande kommen, auf die leichtsinnigste Art und ohne gescheiten Grund, aber ein Pass niemals. Dafür wird er auch anerkannt, wenn er gut ist, während ein Mensch so gut sein kann und doch nicht anerkannt wird.»

Manchmal kommt es mir so vor, als habe sich daran nicht viel geändert. Dabei ist es jede/r einzelne von uns, der oder die dafür sorgen kann, dass andere Menschen als die erkannt und anerkannt werden, die sie sind. Ganz unabhängig von Nationalität, Geschlecht oder gesellschaftlichem Stand. Der Apostel Paulus beschreibt genau das auch als eine Eigenschaft Gottes. Er schaut hinter unsere Pässe und das, was andere in uns sehen, er schaut tiefer in uns hinein, «denn es gibt bei Gott kein Ansehen der Person.» (Röm 2,11)