Die Herausforderung des Habens
Das Kamel, dass durch ein Nadelöhr gehen soll, stellt ein so absurdes Bild dar, dass es für uns gleichbedeutend ist mit Unmöglichkeit. Jesus verwendet es um zu verdeutlichen, wie schwer es reiche Menschen haben, in das Reich Gottes zu gelangen. Eine chassidische Erzählung versucht, den Sachverhalt mit einem anderen Bild zu beleuchten:
«Ein Mann bat den Rabbi um ein Seelsorgegespräch und kam gleich zur Sache: ‹Meister, es macht mir Kummer, dass Menschen oft so hartherzig und kalt zu einander sind, und ich frage mich, warum das so ist.› Ohne direkt darauf zu antworten, forderte der Rabbi ihn auf: ‹Geh ans Fenster und blicke durch die Scheibe.› Der junge Mann stand auf, trat ans Fenster und sah hinaus. ‹Was siehst du?› – ‹Was soll ich schon sehen?›, antwortete der Mann. ‹Da sind Strassen und der Park, Menschen, die hin und her spazieren, der blauen Himmel, die Sonne.› Dann bat der Geistliche den Mann, sich vor den Spiegel zu stellen, und er tat es. ‹Und was siehst du nun?›, fragte er, und der junge Mann antwortete: ‹Na, ich sehe mich selbst.› Der Rabbi erklärte: ‹Deine Beobachtung beantwortet dir die Frage. Das Fensterglas unterscheidet sich vom Spiegel nur durch die dünne Silberschicht. Am Silber liegt es, dass du dich plötzlich nur noch selbst siehst.›»
Die Dinge, die ich besitze können mir Wohlempfinden, Freude und manchmal Sicherheit geben. Zugleich nehmen sie mich auch in Beschlag, verengen meinen Blick und bewirken, dass ich anderen Menschen nicht mehr so herzoffen begegne. Es braucht grosse Bewusstheit, um frei zu bleiben gegenüber dem Sog des Besitzes, und in die erlöste Lebensweise einzutreten, von der Jesus spricht. Er ermutigt uns zugleich, es im Vertrauen auf den göttlichen Beistand zu versuchen, denn: «Für Gott ist alles möglich.» (Mk 10,27)