Die Zeit, die Zeit…

Mein sind die Jahre nicht,

die mir die Zeit genommen;

Mein sind die Jahre nicht,

die etwa möchten kommen;

Der Augenblick allein ist mein,

und nehm ich den in acht

so ist der mein,

der Jahr und Ewigkeit gemacht.

Der barocke Dichter Andreas Gryphius denkt in diesen Zeilen über das Geheimnis der Zeit nach: Weder das Vergangene noch das Zukünftige gehört uns. Uns bleibt allein der Augenblick, die Gegenwart. Die Jahre, die vergangen sind, hat die Zeit verschluckt. Sie gehört uns nicht mehr. Doch ebenso wenig gehören uns die Jahre, die noch vor uns liegen. Auch sie stehen nicht in unseren Händen.

Allein der jetzige Augenblick ist mein. Denn bin ich ganz gegenwärtig, dann bin ich ganz ich selbst. Im Hier und Jetzt zu leben aber ist schwer. Es verlangt, dass ich mein Sorgen und Planen, mein Befürchten und Bewerten aus meinem Gedankenpool fallen lasse. Ich lasse die Angst um die Zukunft los. Ich bin jetzt nur noch in diesem einen Augenblick.

Wenn mir dies gelingt, so sagt der Dichter, dann bin ich nicht nur ganz ich selbst, dann bin ich auch eins mit dem, der Herr ist über Jahr und Zeit und Ewigkeit. Ich bin eins mit Gott, dem ewig Gegenwärtigen.

Andreas Gryphius lädt an der Schwelle zum neuen Jahr dazu ein, uns in der Kunst des achtsamen Lebens im Hier und im Jetzt täglich neu zu üben. Achtsamkeit meint: Die Augen zu öffnen, aufzuwachen und die Wirklichkeit so zu sehen, wie sie ist, den Augenblick zu gewahren und mit ihm zu verschmelzen. So ordnet und wandelt sich unser rastlos getriebenes Leben. In Meister Eckharts Worten: „Alle Unordnung des inneren und des äusseren Menschen wird geordnet in der Gelassenheit, in der man sich lässt und Gott überlässt.“ 

In diesem Sinne wünsche ich Ihnen allen ein neues Jahr voller gelassener und erfüllter Augenblicke. 

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