Dieser Kelch
Als Student habe ich an einem Seminar über das reformierte Abendmahl teilgenommen. Zum Einstieg fragte uns der Professor: „Was denken Sie, was empfindet ein durchschnittliches Gemeindeglied, wenn es am Abendmahl teilnimmt?“
Nachdenkliches Schweigen. Dann antwortete einer: „Vater, lass diesen Kelch an mir vorübergehen.“
Lautes Gelächter!
Wir lachten wohl, weil der Spruch eines der Probleme mit dem Abendmahl auf den Punkt bringt: Viele Menschen fühlen sich bei dieser Feier nicht wohl. Nach vorne gehen und von anderen gesehen werden, die Angst, ungelenk dazustehen oder unpassend angezogen zu sein, ein Stück Brot schweigend kauen, während andere zusehen…
Weil das Mahl bei den Reformierten selten gefeiert wird, gibt es die Vertrautheit nicht, die für katholische Menschen bei der Kommunion bestehen mag. Zudem ist man sich in einer landeskirchlichen Gottesdienstgemeinde, die mit dem Abendmahl ja eigentlich ein Gemeinschaftsritual feiert, grösstenteils fremd.
Dabei ist es ja aus einer Gemeinschaft entstanden. Jesus und seine Begleiter:innen assen täglich miteinander. Indem er gerade das Mahl als Zeichen für seine Gegenwart als Auferstandener unter ihnen einsetzte, knüpfte er an diese intensiven Erfahrungen an.
Für uns ist das schwieriger. Dass wir im Teilen von Kelch und Brot Gemeinschaft untereinander und mit Jesus erleben, stellt sich eben nicht einfach ein.
Aber vielleicht ist gerade dies ja gut. Vielleicht weist uns das Abendmahl – möglicherweise auch die Kommunion in der katholischen Messe – genau auf das hin, was uns fehlt, wonach wir uns sehnen und was wir nicht einfach so herstellen können: Das tiefe Erleben von Gemeinschaft mit anderen und mit Christus, mit Gott.
Vielleicht ist der Wert des Abendmahls auch dieser: Uns eine Leerstelle aufzuzeigen.
Abb: Abendmahlsgerät der Evangelisch-altreformierten Kirche Bunde, Deutschland. Foto: wikiwal, 2013. Quelle: Wikimedia Commons