Du III

Das Weg-Wort gestern habe ich dem jüdischen Religionsphilosophen Martin Buber und seiner Schrift «Ich und Du» gewidmet. Buber hebt darin die fundamentale Wichtigkeit der Begegnung hervor: Der Begegnung zwischen einem Ich und einem Du, in der das Gegenüber nicht analysiert, eingeordnet oder beurteilt wird, sondern in der ich mich ganz auf das Du einlasse. In jeder solcher «Ich-Du-Beziehung» schwingt – so sagt er weiter – das «Ewige Du», das viele Menschen Gott nennen, mit. Das Göttliche wird für ihn also nicht ausserhalb der Welt, sondern in jeder wirklichen Begegnung dieser Welt erfahren.

Mich beeindruckt, dass Martin Buber das nicht immer so gesehen hat. In früheren Jahren hat er sich stark mit Mystik und mit ekstatischen religiösen Erfahrungen auseinandergesetzt. Dies waren für ihn Erfahrungen, die nichts mit anderen Menschen zu tun haben, sondern die jemand für sich allein mit Gott macht.
Es war dann offenbar die missglückte Begegnung mit einem Mitmenschen, die Buber zum Umdenken brachte:

«Es ereignete sich nichts weiter, als dass ich einmal, an einem Vormittag nach einem Morgen ‘religiöser’ Begeisterung, den Besuch eines unbekannten jungen Menschen empfing, ohne mit der Seele dabeizusein. Ich liess es durchaus nicht an einem freundlichen Entgegenkommen fehlen (…), ich unterliess nur, die Frage zu erraten, die er nicht stellte.»
Später erfährt Buber, dass sich der Mann in einer schweren Krise befunden habe. Da ist er aber bereits tot.

«Seither habe ich jedes ‘Religiöse’, das nichts als Ausnahme ist, (…) Ekstasis, aufgegeben, oder es hat mich aufgegeben. Ich besitze nichts mehr als den Alltag, aus dem ich nie genommen werde» schreibt er dann.

Das Leben hat Buber von der Mystik der Ekstase in den Alltag und zu den Menschen geführt. Und zum Göttlichen, das gerade dort – bei den Menschen – zu erfahren ist.

Foto: Martin Buber, 1963. Quelle: Dutch National Archives, Bestanddeelnummer 915-3257
Textzitat: Thomas Reichert (Hrsg.), Buber für Atheisten. Ausgewählte Texte, Gerlingen, 1996, S.144f