Duldung oder Widerstand
«Akzeptiere es, verändere es oder verlasse es»: Das sind die drei Alternativen, die wir in vielen Lebenshilfe-Ratgebern zum Umgang mit unangenehmen oder ungewollten Situationen finden. In der modernen Gesellschaft stehen Handeln und Verändern hoch im Kurs und das Verlassen wird als Stärke und Unabhängigkeit des Individuums gewürdigt. Das Akzeptieren oder gar ein freiwilliges Erdulden erscheint demgegenüber in vielen Fällen unzeitgemäss, wie ein Mangel an Entscheidungs- oder Tatkraft.
Das Erdulden war eine grosse Stärke der Rita von Cascia. Sie wuchs zu einer Zeit grosser Unruhen und vieler Fehden in Umbrien auf und starb am 22. Mai 1447 als Nonne. Schon in jungen Jahren hegte sie die Sehnsucht nach einem klösterlichen Leben. Doch ihre Eltern zwangen sie zur Heirat mit einem Mann, der sich als jähzornig und gewalttätig herausstellte. Zwei Söhne brachte sie zur Welt, welche ihren Vater – nachdem dieser ermordet worden war – rächen wollten. Allerdings starben sie vor der Umsetzung an der Pest. Für Rita war jetzt endlich der Weg frei zur Erfüllung ihres Herzenswunsches und sie trat 1407 den Augustinerinnen bei.
Patriarchale Dominanz der Männer über die Frauen und ein hitziges Klima der Vergeltung herrschten zu Ritas Zeit. So war geduldiges Ausharren in der ungewollten Ehe wohl ihre einzige Überlebenschance. Bewundernswert ist, dass sie sich selbst in aussichtslosen Momenten nicht aufgab und nicht daran zerbrach.
Glücklicherweise leben wir heute in einer weniger patriarchalen Zeit. Allerdings braucht es immer noch Frauenhäuser und andere Hilfsorganisationen, die sich dafür einsetzen, dass Frauen und Wehrlose nicht der Gewalt ausgeliefert bleiben. Am Gedenktag der heiligen Rita erscheint mir das Gelassenheitsgebet des US-amerikanischen Theologen Reinhold Niebuhr passend: «Gott, gib mir die Gelassenheit, Dinge hinzunehmen, die ich nicht ändern kann, den Mut, Dinge zu ändern, die ich ändern kann, und die Weisheit, das eine vom anderen zu unterscheiden.»