Durch Schönheit gerettet

«Ohne Musik wäre das Leben ein Irrtum». Dieser Satz stammt vom musikalischsten aller Philosophen, von Friedrich Nietzsche (1844-1900). Ich persönlich empfinde genauso. Was wäre mir mein Leben ohne die musikalischen Schöpfungen Bachs, Beethovens oder Schuberts? Ein Irrtum. Eine Nacht ohne Sterne.

Quer durch mein Leben war mir ihre Musik Seelennahrung, Trost-, Hoffnung-, Freuden- und Kraftspender. In der Phase pubertär-romantischer Schwermut suchte ich Zuflucht und Lebensbejahung in den Werken Bachs. Seine Kantaten und Passionen verliehen mir inmitten meiner depressiven Anflüge ein Gefühl seelischer Beheimatung und Geborgenheit. Ich fühlte mich von ihm verstanden, in ihm aufgehoben.

In heroischen Augenblicken war es dann vor allem Beethoven, namentlich seine dritte und fünfte Symphonie, die mich mit ihrer unbändigen, kraftstrotzenden Energie, ihren Aus- und Abbrüchen, ihren Spannungen und Durchkreuzungen, gefolgt von lieblich versöhnenden, harmonischen Auflösungen in eine Art dionysischen Rausch zu versetzen vermochten. Keine menschliche und auch keine allzumenschliche Gefühlsregung, die in dieser Musik nicht reinsten Widerhall gefunden hätte.

Ach ja, und dann natürlich Schubert. Seine letzten Klaviersonaten sind, um es in Worten des begnadeten Pianisten Andras Schiff auszudrücken, manchmal fast unerträglich schön. Angesichts der verstörenden kakophonen Hässlichkeiten der gegenwärtig waltenden Weltpolitik dämmert mir klarer denn je der tiefere Sinn von Dostojewskis Diktum: «Die Welt wird durch Schönheit gerettet.»

Bildquelle: wikipedia, Autograph Franz Schubert, Klaviersonate B-Dur, 1817