Ein Haus erzählt

Da stehe ich nun schon seit ein paar Jahrhunderten. Davor war das Land hier unbewohnbar gewesen, denn die Elbe hatte es bei Hochwasser immer wieder überschwemmt. Erst als ein Deich gebaut wurde, der mir Schutz gab, war es möglich, das Land hier zu entwässern und Häuser darauf zu bauen.

Behäbig sehe ich aus. Unter meinem Dach aus Schilfrohr fand alles Platz, was damals eine Familie zum Leben brauchte: eine Wohnung für die Menschen, ein Stall für die Tiere und eine Scheune für Vorräte und Geräte.

Wie viel Arbeit und Mühe mussten die Menschen damals aufwenden, um hier leben zu können! Wie stolz waren sie, nachdem sie mich errichtet hatten! Die Inschrift an meiner Fensterfront verrät weder etwas über meine Erbauer noch über das Baujahr. Auf dem Balken zwischen Erdgeschoss und oberem Stock, der sich quer durch die Fassade zieht, steht die erste Strophe eines bekannten Kirchenliedes. Meinen Erbauern war es ein Anliegen darauf hinzuweisen, dass es wichtiger ist, auf Gott zu vertrauen als die eigene Leistung hervorzuheben.

«Wer nur den lieben Gott lässt walten
und hoffet auf ihn alle Zeit,
den wird er wunderbar erhalten
in aller Not und Traurigkeit.
Wer Gott, dem Allerhöchsten, traut,
der hat auf keinen Sand gebaut.»

Georg Neumark, 1641