Einfach
Der Überlieferung nach soll sich die Berufung des heiligen Franz von Assisi zugetragen haben, als er in einer baufälligen Kirche betete und die Aufforderung vernahm: «Geh und baue mein Haus wieder auf, das ganz und gar in Verfall geraten ist.» Zunächst nahm er den Aufruf wörtlich und renovierte das Kirchlein von St. Damiano. Später wurde sein Armutsideal zum lebensverändernden Beispiel für viele Menschen, und er verstand die Worte nun auch im übertragenen Sinn: Kirche und Gesellschaft insgesamt zu erneuern.
Vorletzte Woche hatte ich das Glück, einige Tage an einem besonderen Ort im Tessin verbringen zu dürfen. Als Gruppe von sieben Männern waren wir in Terra Vecchia im Centovalli und tauschten uns über unsere Erfahrungen mit Männerarbeit im kirchlichen Umfeld aus.
Bis vor wenigen Jahrzehnten war Terra Vecchia ein verfallenes Dorf. Die ursprüngliche Bevölkerung hatte vor langer Zeit ihren Wohnsitz an eine andere Stelle verlegt, Häuser und die Kirche waren eingestürzt und überwuchert. Dann wurde es von einem visionären Sozialpädagogen entdeckt als ein Ort für junge Menschen in Lebenskrisen. Miteinander bauten sie das Dorf mit grossem Einsatz und Liebe fürs Detail wieder auf.
Wir sieben Männer verbrachten die Tage im solide renovierten Convento und feierten dreimal am Tag in der wiederhergestellten Kirche eine kleine Gebetszeit. Es waren Tage der geteilten Einfachheit, die mich berühren und mit Dankbarkeit erfüllen. Eigentlich braucht es wenig zum Glück, und Kargheit beinhaltet eine klärende Qualität. Ich durfte etwas von einer erneuerten Kirche erleben: ehrlich und schlicht vor einander und vor Gott sein, dem Göttlichen Raum lassen, und vieles wird möglich. Eine ganz und gar franziskanische Erfahrung.