Es funkt

Das Fresko «Die Erschaffung Adams» von Michelangelo kennt fast jede:r. Wenn es beschrieben wird, heisst es oft, der Finger Gottes berühre den Finger Adams. Dabei ist genau dies nicht der Fall. Die Finger der beiden Figuren kommen sich zwar nahe, aber ganz eindeutig gibt es da eine Leerstelle. Und wohl gerade dadurch entsteht eine starke Spannung zwischen ihnen. Man erhält fast den Eindruck, als ob die Funken springen – wie zwischen zwei elektrisch geladenen Körpern.

«Der Funke ist gesprungen.» «Es funkt zwischen den beiden.» So sagt man, wenn zwischen Menschen Energie fliesst, wenn sie sich z.B. verlieben oder sich plötzlich für eine gemeinsame Sache begeistern können.

Handelt es sich bei Michelangelos Darstellung also eher um eine Energetisierung als um Berührung? Und: Handelt es sich überhaupt um die Erschaffung Adams? Denn der wirkt ja bereits sehr lebendig, streckt Gott z.B. seinen Arm entgegen.

Aber bei der Schöpfung im biblischen Sinn geht es auch gar nicht nur um den Ursprung allen Lebens. Neues Leben entsteht ja fortwährend. Die Schöpfungskraft ist kontinuierlich am Werk. Und Schöpfung meint nicht nur das biologische Leben, sondern auch das Neue, das unserem Geist entspringt: Wenn Menschen zusammenkommen und plötzlich «der Funke springt», wenn eine gemeinsame neue Idee entsteht. Etwas, das es vorher noch nicht gegeben hat!

So lässt sich die schöpferische Energie, die in dieser Welt fliesst, als ein Wunder begreifen, als göttliches Ereignis. So, wie Michelangelo sie in seinem Fresco darstellt. Und wie der Künstler sie selbst erfahren hat.

Abb: Michelangelo, Die Erschaffung Adams, Sixtinische Kapelle, Rom, 1508 – 12. Wikimedia Commons