Es schwindelt der Welt
Im Innern des Hauses
meines Herzens
steht die Säule
dieser säulenlosen Welt,
der es schwindelt
von euren Gedanken –
sonst wäre ruhend
diese ruhelose Welt.
Dieser Text stammt von dem persischen Sufi-Mystiker Rumi. Er spricht mich an, weil hier die Innenwelt des Menschen mit der Aussenwelt in überraschender Weise verschränkt ist.
Die Säule der Welt ist im Innersten des Menschen zu finden, im „Innern des Hauses meines Herzens“. In meiner Mitte, könnte man wohl auch sagen. Und es ist in diesem Text nicht so, dass es uns Menschen schwindelt, weil die Welt so chaotisch ist, sondern gerade umgekehrt: Ihr schwindelt es wegen uns, sie ist ruhelos wegen unserer Gedanken, sie ist säulenlos – und gerät deshalb ins Wanken – wegen uns.
Es ist an uns, an mir, die Welt zur Ruhe zu bringen, ihr Festigkeit und Stabilität zu verleihen – durch die Säule in meiner Mitte.
Ich bin in der Welt durch meine Augen und Ohren, durch alle meine Sinne. Ich bin in der Welt durch mein Sprechen und Denken. Durch all dies „baue“ ich die Welt. Sie ist in mir, denn meine Sinneseindrücke werden in meinem Kopf verarbeitet. Dort denke und spreche ich. „Die Welt“ gibt es nicht. Sie ist immer meine Welt. Wenn ich voller Angst bin, wird mir die Welt Angst machen. Wenn in mir ein Gedankenwirrwarr ist, ist auch die Welt wirr und chaotisch. Wenn ich Frieden und Ruhe finde, kommt auch die Welt zur Ruhe. Wenn ich Momente jenseits des Denkens finde, ist die Welt gleichzeitig alles und nichts.
Abb: Masnavi, Jalal al-Din Rumi, 1488 – 89, wahrscheinlich Iran. The Metropolitan Museum of Art, New York