Fensterlos und doch voll Licht
Eigentlich ist Meggen am Vierwaldstättersee kein aufsehenerregender Ort. Aber dort ist ein veritabler Schatz zu entdecken, ein spiritueller Juwel: Die Piuskirche, die der Architekt Franz Füeg 1964 bis 66 gebaut hat. Sie gilt über die Grenzen der Schweiz hinaus als Ikone modernen Kirchenbaus.
Es handelt sich um einen 13 m hohen Kubus, bestehend aus nichts anderem als 888 Marmorplatten, die von Stahlträgern gehalten werden. Es gibt in dieser Kirche kein einziges Fenster, und doch ist sie voller Licht. Denn die 28 mm dicken Platten lassen das Licht von aussen durchschimmern. Je nach Tageszeit und Witterung leuchten sie honiggelb, orange, bräunlich oder grau. So ist das Draussen im Innern des Raums stets gegenwärtig, und die Kirche verändert sich permanent. Sie lebt. Dies auch, weil die Strukturen des Marmors sichtbar sind und wie vielfältige abstrakt-expressionistische Malereien wirken.

Das ursprünglich einzige Kunstwerk, das in den Bau integriert wurde, ist ein schlichtes Bronzekreuz. Die Piuskirche braucht keine Kunst. Sie ist Kunst. Der klare Rhythmus der Marmorbahnen im Wechsel mit den Stahlträgern vermittelt Ordnung und hilft mir, mich zu zentrieren, zu mir zu finden. Diese Ordnung ist jedoch nicht eng und stur, denn in ihr lebt der Raum eben durch seine stete Wandlung. So steht er für eine Lebendigkeit, die gehalten, geerdet ist.
Die Piuskirche stellt nur wenige Bezüge zur biblisch-christlichen Tradition her, aber sie schafft eine Atmosphäre, in der ich das Göttliche ahnen kann.
Abb: Piuskirche Meggen, 1964 – 66. Foto: Privat