Frieden auf Erden! Na, wo denn?
Zur Zeit da Rabbi Menachem im Lande Israel wohnte, ereignete es sich, dass ein törichter Mann, ohne bemerkt zu werden, den Ölberg bestieg und vom Gipfel aus in die Schofar Posaune stieß. Im aufgeschreckten Volk sprang die Kunde um, dies sei die Posaune, welche den Anbruch eines neuen Äons und mit ihm den Einbruch des lang ersehnten Friedensreiches ausrufe. Als das Gerücht zu den Ohren Rabbi Menachems kam, öffnete er das Fenster, sah in die Welt hinaus und sprach: „Ich sehe keine Erneuerung!“
Auch nach 2000 Jahren der Ausrufung des Friedens über die Erde und alle Menschen durch die Engel über Bethlehems Landen bleibt nüchtern festzuhalten: Keine Erneuerung! In der Tat, ein Blick durchs Adventsfenster 2024 hinaus in die Welt: Keine Neuerung! Kein Frieden weit und breit. Stattdessen eine sich global beschleunigende Spirale von Gewaltexzessen, Krieg und Hass – angetrieben von machtkranken, menschenverachtenden Despoten. Nicht zu reden vom verheerenden Vernichtungsfeldzug, den die Menschheit gegen das Natur- und Tierreich führt.
Solch eine Bestandesaufnahme könnte einem den Mailänderli- und Brunsliduft schon etwas vergällen, es sei denn, wir erwarten von Weihnachten gar nichts anderes als das Aufrechterhalten einer schönen Tradition, verbunden mit etwas familiärer Trautheit, einer nicht allzu gar gekochten Weihnachtsgans, dazu ein bisschen Stille Nacht, Kerzenlicht, Kugelglanz und Lamettaglitter.
Nun ist es aber die Würde und Pflicht des Menschen gegen alle Hoffnungslosigkeit anzuhoffen, unerschütterlich, wie einst der Prophet Jesaja: „Es wird ein frischer, grüner Zweig aus dem abgehauenen Stamm hervorgehen.“ Da wird ein Neubeginn verheißen, wo niemand mehr an eine Zukunft glaubt.
Dazu ein Tagebucheintrag des russischen Schriftstellers Alexander Solschenizyn ein: „Wir sägten Holz, griffen dabei nach einem morschen Ulmenbalken und schrien auf. Seit im vorigen Jahr der alte Stamm gefällt wurde, war er vom Traktor weggeschleppt und in Teile zersägt worden, zu Stapeln gerollt, auf die Erde geworfen – aber der Ulmenbalken, totgeglaubt, hatte sich nicht ergeben! Er hatte einen frischen, grünen Trieb hervorgebracht -, einen ganzen künftigen Baum oder einen dichten, rauschenden Zweig.“ Was für ein Weihnachten atmendes Zeugnis unbiegsamer Hoffnung!