Fürchtet euch nicht!
Haben Sie schon vom Nocebo-Effekt gehört? Er bildet quasi die Kehrseite des Placebo-Effekts. Ein Placebo – ein Medikament ohne Wirkstoffe – kann durchaus Linderung verschaffen. Das reine Vertrauen auf Heilung kann diese bewirken. Der Nocebo-Effekt funktioniert nach demselben Muster: Befürchtungen und Ängste vor schädlichen Wirkungen können diese geradezu hervorrufen. Es ist eine erstaunliche Erkenntnis, wie viel Einfluss das menschliche Denken darauf hat, was sich dann tatsächlich verwirklicht.
In der Kapelle der Bahnhofkirche befindet sich zurzeit eine Krippe des Künstlers Ciro. Er erzählt die Weihnachtsgeschichte mit etwas rostigem Altmetall und ein paar Holzstücken. Herb und alltäglich ist die Ausdrucksweise, doch ohne weiteres lassen sich die Heilige Familie, zwei Hirten, die Weisen aus dem Morgenland, Betlehem im Hintergrund und der Himmel mit ein paar Sternen ausmachen.
Engel entdecke ich in dieser Darstellung keine. Dabei bringen sie eine so wichtige Nachricht. „Fürchtet euch nicht!“ rufen sie den Hirten zu, weisen auf das Kind in der Krippe hin und sprechen vom Frieden auf Erden. Mit den Augen ist die Szene in dieser Krippe nicht zu finden. Doch auch ohne Engel ist ihre Botschaft präsent. Das kleine Kind im Zentrum zeigt, dass Gott sich einlässt auf die unvollkommene, rostige und beschädigte Welt. Zugleich hält Gott den Rahmen, aus dem – so gebrochen er auch erscheinen mag – nichts und niemand herausfällt. Ciros Krippe ermutigt mich zum Gottvertrauen. Dieses bewahrt mich nicht vor allen mühsamen und manchmal leidvollen Erfahrungen des Lebens. Aber es stärkt mich, nicht in den Strudel des Nocebo-Effekts zu geraten und aus Angst das Leid für mich selbst und andere noch zu vergrössern. Das haben wir in diesen Tagen nötiger denn je.