Gebet unterwegs

Vor diesem Bild im Segantinimuseum bleibe ich länger stehen. Mit seiner einfachen und klaren Bildaufteilung zieht es mich in den Bann. Mein Blick fällt zuerst auf die Sonne. Obwohl sie durch den Horizont teilweise verdeckt wird, erscheint sie mir durch ihre Spiegelung im See ganz. Das kleine Boot im Vordergrund ist mit Schafen voll beladen, sodass für die drei Menschen, ein Mann, eine Frau und ein Kind, fast kein Platz mehr ist.
Der Künstler Giovanni Segantini hat in seinen Bildern das einfache, aber harte Leben der bäuerlichen Bevölkerung dargestellt. «Auf diese Weise hat man also damals an den norditalienischen Seen die Schafe zu einer anderen Weide gebracht.», denke ich und lese den Bildtitel. «Ave Maria bei der Überfahrt» heisst das Bild.
Ich schaue mir die abgebildeten Menschen genauer an. Der Mann, der das Boot vorwärtsrudert, könnte in seiner gebückten Haltung auch die Hände zum Gebet falten. Die Frau und das Kind halten sich gegenseitig und sind innig umschlungen.
Hat der Maler sich gedacht, dass in dem Moment, den er im Bild festgehalten hat, die Glocken der Kirche im Hintergrund läuten? Ist der Mann am Rudern oder hält er inne? Das Bild strahlt für mich eine große Ruhe aus und nährt meine Sehnsucht nach einem Leben im Einklang mit mir selbst und mit der Schöpfung.