Gegen den Wind
Das Gymnasium, das ich besucht habe, lag im Nachbarort. Es waren ziemlich genau vier Kilometer bis dorthin. Damals gab es nur eine umständliche Busverbindung, bei der wir umsteigen mussten, und die uns hat müde in der Schule ankommen lassen.
Ich habe mich einer Gruppe von Fahrradfahrern angeschlossen, die die kurze Variante gewählt hat, nämlich den Feldweg durch – ja wirklich – Felder. Es war ein wunderschöner Schulweg. Wir sind der Morgensonne entgegengeradelt. Im Frühling haben wir die junge Saat aufgehen sehen, wir haben gehört, wie die Feldlerche über uns singt, ab dem Sommer sind wir an den Maisstauden entlanggeradelt, deren Blätter im Wind flüstern und ab November sind wir oft durch kalten, prasselnden Regen gefahren oder durch dichten Bodennebel, der für meine Heimat typisch ist und der die Person verschluckt, die neben einem ist. Im Winter sind manche Klassenkameraden mit Langlaufski gekommen und haben Spuren durch den Schnee gezogen, während ich mich mit anderen auf dem Rad durch Schneewehen gekämpft habe. Später wurde uns ein Radweg gebaut und wir hatten es etwas einfacher. Eine Herausforderung aber ist geblieben: Der Wind. In meiner Heimat ist es sehr windig. Meistens weht Westwind. Wir mussten dann, müde nach der Schule, gegen den Westwind treten. Oft war es ein richtiger Kampf, besonders im Herbst. Wir mussten uns gegen den Wind stemmen. Daheim kam ich verschwitzt und abgekämpft an, die Haare verstrubbelt. Manchmal hat kalter Ostwind geweht und wir kamen durchfroren in der Schule an.
Die Herausforderung, der wir uns gestellt haben, hat uns stark gemacht, gesund, stolz und glücklich. Im Annehmen der Herausforderung haben wir uns gespürt, erlebt, dass wir Grenzen überschreiten können. Ich habe mich daran erinnert, als wir nun im Urlaub gegen den Wind geradelt sind und Feldlerchen über uns gesungen haben.
Niemand weiss, was er kann, bevor er’s versucht.
Publilius Syrus