Gelobt seist du, Niemand

„Niemand knetet uns wieder aus Erde und Lehm,/ niemand bespricht unsern Staub./ Niemand.// Gelobt seist du, Niemand./ Dir zulieb wollen/ wir blühn./ Dir/ entgegen.“

Paul Celan war ein jüdischer Lyriker, der seine Eltern im Konzentrationslager verloren hat. Sein Schreiben ist geprägt vom Schrecken des Holocaust. Immer wieder nimmt er dabei Motive des jüdisch-christlichen Glaubens auf. So auch im Gedicht „Psalm“, dessen erste beiden Strophen oben zitiert sind.

Meisterhaft springen diese Worte von der Vernichtung – dem Nichts und Niemand der Existenzlosigkeit – zu einem Leben, das diesem „Niemand“ entgegenwachsen kann, das ihm zuliebe – aus dem Nichts heraus – erblüht.

Am Anfang der Bibel schafft Gott den Menschen aus Lehm und erweckt ihn zu Leben. Darauf nimmt der Dichter Bezug. Aber diesen Gott scheint es nicht mehr zu geben. Niemand ist da, der wieder zu Leben erweckt: „niemand bespricht unsern Staub.“ Plötzlich jedoch wird „niemand“ zu einem Eigennamen: „Gelobt seist du, Niemand.“
Im Judentum wird der Name Gottes nicht ausgesprochen. Nennt Celan ihn deshalb „Niemand“, weil man Gott auf nichts festlegen kann?
Jedenfalls scheint es so etwas wie Hoffnung zu geben. In der zweiten Hälfte des Gedichts blüht aus dem Nichts die „Nichts-, die Niemandsrose.“

«Mit/ dem Griffel seelenhell,/ dem Staubfaden himmelswüst,/ der Krone rot/ vom Purpurwort, das wir sangen/ über, o über/ dem Dorn.»

Da ist Helligkeit und Farbe. Aber da gibt es auch das Himmelswüst. Und das Rot kann für beides stehen: Liebe und Blut. Der Dorn schliesslich erinnert an Schmerz, Leid und Tod.

Paul Celan findet eine Sprache für den Glauben, die gegen jede Hoffnung von Hoffnung spricht. Eine Sprache, die gleichzeitig das Grauen ernst nimmt, welches Gott radikal in Frage stellt. Er spricht von einem Glauben, der nach Auschwitz keine Gewissheit mehr kennt – und deshalb der einzig mögliche ist.

Abb: Paul Celan, Passfoto 1938. Fotograph unbekannt. Quelle: Wikimedia Commons
Text: Paul Celan, Psalm. In: Paul Celan, Die Niemandsrose, 1963