Geohrfeigt
Als ich dreizehn Jahr alt war, hat der Direktor an meinem Gymnasium einmal komplett die Kontrolle verloren und mich ohne jeden Anlass geschlagen.
Es war nach der großen Pause. Die Mathestunde hätte schon längst beginnen sollen, aber die Lehrerin war nicht gekommen. Wir waren so laut, dass man uns weit herum im Schulhaus hören konnte. Unerwartet trat der Rektor ins Klassenzimmer, ein kleiner Mann, von uns Schülern aber wegen seiner Unbeherrschtheit gefürchtet. Sofort wurde es still. Der Rektor schaute sich um. Vorne links in der Ecke stand ein erhöhtes, nicht mehr benutztes Lehrerpult. Dort hatte ich meinen Cellokoffer abgestellt, damit er niemandem im Weg war und das Cello sicher stand. Der Rektor fragte: «Wem gehört diese Kiste?», und deutete auf mein Cello. Zaghaft streckte ich den Finger in die Höhe. «Nach vorne kommen!», befahl er. Als ich vor dem Rektor stand, holte er aus und verpasste mir vor der ganzen Klasse eine schallende Ohrfeige.
Ich war so schockiert, dass ich mich nur noch zurückziehen konnte. Ich fühlte mich gedemütigt, buchstäblich geohrfeigt.
Meine Klasse hat mich nicht im Stich gelassen. Alle ermutigten mich, das nicht hinzunehmen. Zwei Mitschüler gingen mit mir ins Büro des Rektors, um ihn mit seinem unangemessenen Verhalten zu konfrontieren.
Für ein Opfer ist es wichtig zu wissen, dass andere zu ihm stehen und es nicht sich selbst überlassen ist. Wenn ein Kollektiv geeint auftritt und sich mit dem Opfer eindeutig solidarisiert, kann es einen gewalttätigen Schläger in die Schranken weisen.