Gewachsene Verbindungen

Man könnte meinen, die Holzskulptur «Und mittendrin ist Licht» von Adrian Bütikofer, welche noch bis 25. August im Raum der Stille der Bahnhofkirche zu sehen ist, sei aus drei ovalen Ringen, sechs offenen Bögen und einem nach vorne geöffneten Hohlkörper zusammengesetzt. Der Eindruck täuscht allerdings: Das ganze Werk wurde – abgesehen von der Rückseite des Hohlkörpers – aus einem einzigen Stück Eschenholz herausgeschnitten.

Ein Ausschnitt der Skulptur «Und mittendrin ist Licht»

Diese Art der Gestaltung weckt meine Bewunderung. Um aus einem massiven Holzblock eine solche Struktur herauszubilden, braucht es das konzentrierte Arbeiten und das grosse Vorstellungsvermögen des Künstlers. Vielleicht ging es ihm wie dem Bildhauer Michelangelo, der sein Vorgehen so beschrieb: «Die Figur war schon in dem rohen Stein drin. Ich musste nur noch alles Überflüssige wegschlagen.»

Damit «Und mittendrin ist Licht» aus einem Stück Holz gestaltet werden konnte, musste eine Esche über Jahrzehnte wachsen. Die Struktur der Jahresringe ist durch das Abflammen deutlich erkennbar, sie erscheint jedoch auf den einzelnen Bögen willkürlich und unzusammenhängend. Beim Betrachten kommt mir ein Vergleich mit den Menschen: Sie erscheinen unterschiedlich in Eigenschaften und Ausrichtungen, so wie die Teile der Skulptur. Die Verschiedenheiten können uns vergessen lassen, dass wir alle aus demselben Holz geschnitzt sind und zur einen Schöpfung Gottes gehören. Wäre das Bewusstsein der Verbundenheit tief in unser aller Herzen verankert, dann müsste niemand auf der Welt mehr einsam sein, dann wäre die gerechte Verteilung der Güter und ein würdiges Leben für alle selbstverständlich, dann würden Menschen nie mehr die Faust oder gar Waffen gegeneinander erheben. Das Kunstwerk lädt mich ein, die Verbindungen zu sehen und zu leben.